Zwischenruf

Marco Uschmann über Journalismus

"Freiheit und Verantwortung". Der evangelisch-lutherische Pfarrer und Chefredakteur der Wochenzeitung "Die Saat" Marco Uschmann über den Journalismus, die 4. Macht im Staat. - Gestaltung: Martin Gross

Erinnern sie sich noch an die Lucona-Affäre? Vor 40 Jahren wurde der Frachter Lucona 1977 in der Gegend der Malediven im Indischen Ozean versenkt. Udo Proksch hatte das Schiff gechartert und die angebliche Ladung versichert für 212 Mio. Schilling, etwa 15 Mio. Euro. Da ging es also um viel Geld. Und um Menschenleben, denn von der zwölfköpfigen Schiffsbesatzung sind sechs Menschen ums Leben gekommen. Monatelang beschäftigte die Affäre die Öffentlichkeit, aufgedeckt haben die Hintergründe zwei Journalisten: Gerald Freihofner und Hans Pretterebner. Sie haben nicht lockergelassen und immer weiter recherchiert, bis sie endlich die Wahrheit ans Licht gebracht haben.
Das war damals und ist auch heute die Aufgabe und Verantwortung des Journalismus: JournalistInnen recherchieren - wenn nötig hartnäckig und unbequem - und verbreiten Information. Eine demokratische Gesellschaft kann darauf nicht verzichten. Sie braucht gut ausgebildete Journalisten, die in den Redaktionsräumen sitzen, den Menschen Zugang zur Welt verschaffen. Denn in der Demokratie ist ja das Volk der Souverän - trifft also die Entscheidungen. Das geht aber nur, wenn das Volk umfassend, fair und ausgewogen informiert ist. So hat der Journalismus eine lebensnotwendige Funktion für die Demokratie.
Nun kann aber die sogenannte 4. Macht im Staat nicht machen, was sie will. Es gibt eindeutige ethische Kriterien für die Presse. Sie sind in einer Selbstverpflichtung, etwa im Österreichischen Pressekodex definiert, wo es heißt: "Journalismus bedingt Freiheit und Verantwortung. Zeitungsherausgeber/innen, Verleger/innen, Ho?rfunk- und Fernsehverantwortliche sowie Journalisten und Journalistinnen tragen in besonderer Weise Verantwortung für die in einer Demokratie lebensnotwendige Freiheit der Massenmedien. Die Freiheit in Berichterstattung und Kommentar, in Wort und Bild ist integrierender Bestandteil der Pressefreiheit. (.) Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten und Kommentaren sind oberste Verpflichtung von Journalisten." Soweit der Pressekodex - die freiwillige Selbstverpflichtung für Journalisten und Journalistinnen.
Quintessenz ist, sie sind der Wahrheit verpflichtet. Und sie dürfen bei ihrer Arbeit nicht behindert werden. So mag mancher Journalist als Wolf im Schafspelz daherkommen, seine Beute ist nicht sein Gegenüber. Diese Vorstellung aber scheint mir im Moment durch die Gesellschaft zu geistern. Da ist von "Kreuzverhören" in Interviews die Rede. Darum geht es nicht. Nicht das Gegenüber ist die Beute, sondern die Wahrheit. Sie gilt es zu packen und zu verbreiten. Und daran dürfen Journalisten nicht gehindert werden. Nicht umsonst ist in der Präambel des Journalistenkodex gleich zu Beginn von "Freiheit und Verantwortung" die Rede. Ohne Freiheit können Journalisten nicht arbeiten. Selbstverständlich, möchte man meinen. Selbstverständlich?, frage ich. In der Türkei sind Journalisten monatelang inhaftiert, in Russland darf gegen die Regierung nicht publiziert werden, in den USA werden bestimmte Medien nicht mehr zu Pressekonferenzen der Regierung zugelassen. Alles weit weg und fern der Heimat? So etwas ist in Österreich nicht möglich? Das kann schon sein, sicherlich nicht so plump und nicht so offensichtlich. Aber unliebsame JournalistInnen spüren auch hierzulande zunehmend Gegenwind.
Alles halb so wild, könnte man dem entgegenhalten. Heut kann ja jeder publizieren und seine Nachrichten und die Wahrheit in Blogs im Internet sofort weltweit allen zugänglich machen. Wir erleben eine "Vergesellschaftung der Kommunikationsmittel". Hier ist eine Kommunikation entstanden, die kaum noch kontrollierbar von der Gesellschaft ist. So entstehen immer mehr Falschmeldungen - Fake News - die die Wahrheit gegenüber der angeblichen "Lügenpresse" publizieren. Ist diese weltweite Kommunikation überhaupt noch kontrollierbar? Soll sie denn überhaupt kontrollierbar sein? Denn was ist dann mit der Freiheit?
Gefordert ist an dieser Stelle ganz eindeutig Qualitätsjournalismus. Der aber verändert sich derzeit massiv. Und das muss er auch: Gefragt sind viel mehr Hintergrundberichte, Analysen und gute Recherchen. Also all das, was Qualitätsjournalismus ausmacht und was sonst keiner kann. Er unterliegt ganz klar und eindeutig Kriterien. Erstens: Wir belügen nicht unser Publikum - das 8. Gebot. Dann: Wir legen unsere Quellen offen und sagen, woher unsere Informationen kommen. Dann: Wir betreiben keine Meinungsmanipulation, sondern tragen im Gegenteil zur Meinungsbildung bei. Dieser Qualitätsjournalismus ist ein gewichtiger Teil der 4. Macht im Staat. Nur so ist gewährleistet, dass Menschen Informationen bekommen, um sich ihre Meinung zu bilden. Hier sind Freiheit und Verantwortung der Medienschaffenden unabdingbar und nicht zu verhandeln.
Aber auch die Medienkonsumenten sind diesen ethischen Kriterien von Freiheit und Verantwortung unterworfen. Es geht für uns darum: Was für einen Journalismus wollen wir haben? Achten wir darauf, woh

Sendereihe

Gestaltung