Gedanken für den Tag

Christian Rathner über Ingmar Bergman

"Nahaufnahmen". Zum 10. Todestag von Ingmar Bergman macht sich der Filmexperte und Journalist Christian Rathner Gedanken über das Leben und Werk des Filmemachers. Gestaltung: Alexandra Mantler

In dem Ingmar-Bergman-Film "Szenen einer Ehe", beschreibt Liv Ullmann als Marianne, von Beruf Scheidungsanwältin, den Dialog zerstrittener Paare: "Manchmal ist es so, als würden Mann und Frau über defekte Apparate telefonieren. Und manchmal ist es so, als ob zwei vorher besprochene Tonbänder gleichzeitig abgespielt würden. Und manchmal ist es so, als ob man das Schweigen des Weltraums hören würde."

Nicht nur in "Szenen einer Ehe", auch in vielen anderen Filmen seziert Ingmar Bergmann das oft schwierige Verhältnis zwischen Mann und Frau gewissermaßen am offenen Herzen. Er weiß, wovon er spricht. In seiner Autobiografie schreibt er über das Ende eines seiner eigenen vielen Liebesversuche: "Die Masken zerbrechen schnell und fallen beim ersten Unwetter zu Boden. Keiner hat die Geduld, das Gesicht des anderen zu betrachten. Beide rufen mit abgewandten Blicken: "Sieh mich an, sieh mich, aber niemand sieht."

Doch als Regisseur kommt er in den Dialogen der in Zärtlichkeit oder Streit ihr Glück verhandelnden Paare ganz zur Geltung. Gesichter in Großaufnahme, das ist eines seiner Markenzeichen. Gesicht heißt auf Schwedisch "Ansikte", Ansicht oder Angesicht. Lang und ruhig schaut die Kamera in die Gesichter. Gesichter wie Landschaften, oft zwei in einer Einstellung. In kleinsten mimischen Nuancen wird verständlich, was an innerer Spannung und Konflikt in den Menschen vorgeht - großartige Schauspieler und ein Kameramann von der Qualität eines Sven Nyquist vorausgesetzt.

In der Großaufnahme zeigt sich für Ingmar Bergmann das Können oder Unvermögen eines Regisseurs. "Die Nähe zum menschlichen Gesicht", sagt er, "ist ohne Zweifel Adelszeichen und Merkmal des Films."

Ansikte. Sehen und angesehen zu werden. Das Gesicht nicht zu verlieren. Das ist Sehnsucht und Bedürfnis. In "Persona" verschmelzen die Gesichter zweier Frauen zu einem einzigen. Eine Rut sagt in "Durst", einem frühen Film aus dem Jahr 1949, zu ihrem Mann:

Streichle mein Gesicht
Lehre mich, es zu kennen,
weck es auf.
Zeig mir meine Konturen,
entdecke mich.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Jean Sibelius/1865 - 1957
Gesamttitel: 10 morceaux pour le piano op.58
Titel: Air varie op.58 Nr.3 - für Klavier
Anderer Gesamttitel: 10 Stücke für Klavier op.58
Solist/Solistin: Erik T. Tawaststjerna /Klavier
Länge: 02:00 min
Label: BIS CD 195

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