Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über die Schätze des neuen Dom Museum Wien

"Kunst verändert". Johanna Schwanberg, Leiterin des Dom Museum Wien, begibt sich in einen inspirierenden Dialog mit ausgewählten Kunstwerken aus den Beständen des Museums. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Was für ein unglaubliches Objekt! Wie ein zerschnittenes Gewand oder das ausgebreitete Fell eines gehäuteten Tieres mutet es auf den ersten Blick an. Die erdig-braune Farbigkeit verstärkt den organischen Charakter. Bei näherem Hinsehen entdeckt man dunkle Flecken auf dem Stoff. Vor allem wird erkennbar, dass es sich um ein höchst subtiles Gewebe aus vergoldeten Silberfäden handelt. Auch die Ornamentik ist ausgesprochen vielgestaltig. Zum einen sind breite Streifen mit arabischen Schriftzeichen erkennbar. Zum anderen sind Bänder mit gemusterten Rauten, geschwungenen Medaillons und Pfauen zu sehen. Es gibt auch Streifen, die Panther auf Antilopenjagd zeigen.

Als Direktorin des Dom Museum Wien habe ich viele Kunstwerke, die mir am Herzen liegen. Aber dieses mittelalterliche Textil hat es mir besonders angetan. Die Geschichte rund um diesen Gold-Seide-Stoff könnte ganze Bücher füllen. Durch die arabische Inschrift in Form eines islamischen Segenspruches wissen wir, dass das Textil im 14. Jahrhundert für den Sultan Abu Said gefertigt wurde. Er herrschte im Gebiet des heutigen Iran und Irak. Irgendwie muss der Stoff dann nach Europa gekommen sein. Denn 1365 umwickelte man damit den jung verstorbenen Habsburger Rudolf IV. Man trug den Herzog von Mailand nach Wien und bestattete ihn im Stephansdom.

Über 500 Jahre war der kostbare Gold-Seide-Stoff das Grabgewand Rudolfs. 1933 gab es dann eine erneute Wende in der Geschichte dieses Stoffes. Man holte das orientalische Gewebe aus der Grabstatt und präsentierte es im damals neu gegründeten Dom- und Diözesanmuseum einer breiten Öffentlichkeit.

Mich begeistert dieses Objekt mit seiner ereignisreichen Geschichte aus vielerlei Gründen. Besonders aber, weil es zeigt, dass der Austausch zwischen zwei Kulturen kein Phänomen der Gegenwart ist. Bereits im Mittelalter gab es einen regen Dialog zwischen Orient und Okzident; er hat sich ungemein bereichernd auf die Entwicklung der Künste ausgewirkt.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Loreena McKennitt
Bearbeiter/Bearbeiterin: Joseph D. Price /Arrangement
Album: A CELTIC SPECTACULAR
Titel: The mummers' dance/instr.
Orchester: Cincinnati Pops Orchestra
Leitung: Erich Kunzel
Länge: 02:00 min
Label: Telarc CD 80571

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