Teilnehmerinnen eines Wave-Gothic-Festivals

AP/JENS MEYER

Radiokolleg - Fetischismus

Objekte der Begierde (2). Gestaltung: Daphne Hruby

Die Bezeichnung "Fetischismus" geht auf das lateinische "facticius" zurück, das zu Deutsch so viel bedeutet wie "nachgemacht" oder "künstlich". Anhand dessen lässt sich bereits gut erahnen, was unter Fetischismus eigentlich zu verstehen ist.

Salopp zusammengefasst, spricht man von einem Fetisch, wenn Menschen bestimmten Dingen übernatürliche oder über ihre eigentliche Bestimmung hinausgehende Eigenschaften zuschreiben. Das Spektrum dabei ist groß. Es kann von religiösen Figuren über die alltägliche Kleidung bis hin zu Körperteilen, wie zum Beispiel Füße, reichen. Letzterer Fetisch wird dem amerikanischen Regisseur Quentin Tarantino nachgesagt. Nicht unwahrscheinlich, wenn man die prominente Platzierung von Füßen in seinen Filmen berücksichtigt.

Der Begriff Fetischismus ist im Laufe der Zeit auch von diversen Gelehrten aufgegriffen worden, fand also Einzug in die unterschiedlichsten Disziplinen. Sigmund Freud etwa führte die Entstehung eines Fetischs darauf zurück, dass Betroffene unter starker Kastrationsangst leiden würden. Dies hätte zur Folge, dass sie bestimmte Gegenstände oder Körperregionen sexualisieren, um den imaginären Verlust zu kompensieren. Heute versteht man medizinisch unter einem Fetisch, wenn eine Person Objekte zur sexuellen Stimulation braucht, oder dranghaft unübliche Fantasien ausleben muss.

Ende des 19. Jahrhunderts bildete sich in der Region Malesien, zu der etwa die Inseln Neuguinea, Fidschi oder Vanuatu gehören, der "Cargo-Kult" heraus. Zu eben dieser Zeit trieben dort die Europäer ihren Kolonialismus voran. Dabei brachten sie neuartige Gegenstände mit. Die Bewohner der bis dahin abgeschotteten Inseln zeigten sich tief beeindruckt. Der Name des Kults geht auch auf das englische Wort "cargo" für "Fracht" zurück. Anhänger dieser Bewegung führten symbolische Ersatzhandlungen aus, mit denen sie die Wiederkehr ihrer Ahnen erbaten, die ihnen die faszinierenden westlichen Waren mitbringen sollten.

Karl Marx wiederum widmete sich in seinem Hauptwerk "Das Kapital" dem sogenannten "Warenfetischismus". Marx beobachtete im fortschreitenden Kapitalismus eine quasireligiöse Hinwendung zu Produkten und Geld, die weit über deren praktische Verwendung hinausging. Eine höchst aktuelle Fragestellung. Immerhin sind laut einer aktuellen Arbeiterkammer-Studie elf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher einkaufssüchtig. Ein weiteres Viertel hält sich für gefährdet.

Viele verschulden sich bis über beide Ohren, um ihrem Konsumdrang nachgeben zu können. Das Internet stellt dabei ein weiteres Einfallstor für ihren Warenfetisch dar.
Von der marxschen Kapitalismuskritik, über Religion bis hin zur Sexualität. Diese Reihe beleuchtet den Fetischismus aus den unterschiedlichsten Perspektiven und geht der Frage nach, warum es überhaupt zur Entstehung von Fetischen kommt und welche Rolle dabei gesellschaftliche Systeme spielen.

Service

Literaturliste:
"Fetischismus - Grundlagentexte vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart". Herausgegeben von Johannes Endres. Erschienen 2017 im Suhrkamp-Verlag.

"Fetischismus und Kultur. Eine andere Theorie der Moderne" von Harmut Böhme. Erschienen 2006 im Rowohlt-Verlag.

"Der Code der Leidenschaften. Fetischismus in den Künsten". Von Hartmut Böhme und Johannes Endres (Hg.). Erschienen 2010 im Wilhelm Fink-Verlag.

"Fetisch als heuristische Kategorie: Geschichte, Rezeption, Interpretation". Herausgegeben von Christina Antenhofer. Erschienen 2011 im transcript-Verlag.

"Im Dialog mit den Anderen. Religionswissenschaft im Feld" von Hans Geradl Hödl. In: "Anerkennung in religiösen Bildungsprozessen: Interdisziplinäre Perspektiven" von Thomas Krobath, Andrea Lehner, Hartmann und Regina Polak (Hg.). Erschienen 2013 bei Vienna University Press im Vandenhoeck & Ruprecht-Verlag.

"Rituale als Symbolsysteme? Ein Beitrag zur Religionsästhetik" von Hans Gerald Hödl. Erschienen 2009 im Lit-Verlag.

"Entkolonisierung und Konflikte der Gegenwart in Ozeanien" von Hermann Mückler. Erschienen 2013 im Facultas-Verlag.

"Kolonialismus in Ozeanien" von Hermann Mückler. Erschienen 2012 im Facultas-Verlag.
"Ozeanien: 18. bis 20. Jahrhundert Geschichte und Gesellschaft" von Hermann Mückler. Erschienen 2009 im Promedia-Verlag.

"Marx für Eilige" von Robert Misik. Erschienen 2003 im Aufbau-Verlag.

"Alles Ware: Glanz und Elend der Kommerzkultur" von Robert Misik. Erschienen 2009 im Aufbau-Verlag.

"Was würdest du arbeiten, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre? Manifest zum Grundeinkommen" von Philip Kovce und Daniel Häni. 2. Auflage erschienen 2017 im Ecowin-Verlag.

"Konsumieren in Österreich - 19. Und 20. Jahrhundert" von Susanne Breuss und Franz X. Eder (Hg.). Erschienen 2006 im StudienVerlag.

"Das Kapital: Kritik der politischen Ökonomie" von Karl Marx. Erstmals erschienen 1867 im Verlag von Otto Meissner. 2014 neuherausgegeben vom Nikol-Verlag.

"SM-Sexualität: Selbstorganisation einer sexuellen Subkultur" von Norbert Elb. Erschienen 2006 im Psychosozial-Verlag.

"Fetisch: Mode, Sex und Macht" von Valerie Steele. Erschienen 1999 im Berlin-Verlag.

"Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" von Sigmund Freud. Erstmals erschienen 1905 im Deuticke-Verlag. 2010 neuherausgegeben vom Nikol-Verlag.

Sendereihe

Gestaltung

  • Daphne Hruby