Ein herbstlicher Wald

APA/BARBARA GINDL

Das Ö1 Konzert

Arnold Bax und Ralph Vaughan Williams

City of Birmingham Symphony Orchestra and Chorus, Dirigent: John Wilson; Rachel Kelly, Mezzosopran; Neal Davies, Bariton. Ralph Vaughan Williams: Fantasia on a Theme by Thomas Tallis Arnold Bax: November Woods Ralph Vaughan Williams: Five Tudor Portraits (aufgenommen am 10. Mai in der Symphony Hall, Birmingham). Präsentation: Peter Kislinger

Verführerisch blendender Novemberwald

"November Woods" ist unter den 15 Tondichtungen des 1953 verstorbenen englischen Komponisten Arnold Bax, jenes Werk, das für den Dirigenten John Wilson wegen seines "dunklen Unterstroms verführerisch ist. Obendrein ist es virtuos orchestriert, einfach blendend. Aber von selbst spielt es sich nicht." Jedes Mal, wenn er diesen Bax probt, muss er an den Einzelteilen arbeiten, sie polieren, sie auf Hochglanz bringen, bis man ein echte Aufführung zuwege bringt." Gustav Holst hat gesagt, er habe nach der Instrumentation immer seinen Radiergummi zur Hand genommen und alles entfernt, was nicht nötig war, "und so gibt es auch in der Musik von Bax keine einzige Verwendung eines Instruments, die unnötig ist. Er verdoppelt nur, wenn unbedingt nötig, was auch der Grund ist, warum man das Stück auseinander nehmen muss, um sicher zu gehen, dass jedes Einzelteil funktioniert, bevor man es wieder zusammensetzt. Fehlt eines, dann zeigt sich das."


Deftige und zart bewegende Charakterporträts

Ralph Vaughan Williams ließ 1934/35, knapp nach seiner 4. Symphonie, die "Five Tudor Portraits" folgen. Diese "Chorsuite" wurde 1936 gemeinsam mit Benjamin Brittens bewusst "modernistischem" Liederzyklus "Our Hunting Fathers" beim Norfolk and Norwich Triennial Music Festival uraufgeführt. Vaughan Williams wählte deftig-derbe Verse des Satirikers John Skelton (1460-1529), die Edward Elgar Jahre zuvor als "puren Jazz" charakterisiert hatte.

Im ersten Porträt geht es u. a. um die Bierbraukünste der Bierschankbesitzerin Elinor Rumming. In einem Grazioso-Walzerthema ist musikalisch umgesetzt, was die eher deftigen Züge der reschen Wirtin kontrastiert. Wir hören die nach Bier gierenden Schankhausbesucher und die Folgen übermäßigen Alkoholkonsums - die Musik torkelt durch verschiedene Tonarten. Das furiose Satzende ist ein witzige Parodie auf William Waltons Sensationserfolg "Belshazzar's Feast" aus dem Jahr 1931.

Der 2. Satz, "Intermezzo: Pretty Bess", ist ein Liebeslied für Bariton und Chor, der 3. Satz eine Burleske für Männerstimmen, ein (Pseudo-)Trauergesang auf "John Jayberd of Diss". Keiner trauert dem Heuchler nach, geliebt hat den Kleriker keiner, heißt es da. Wo er auftauchte, gab es Hader, Zwist und Gewalttätigkeit. "Jetzt liegt er da, dieser Mann der Kirche. Die Kirche nannte ihn 'Father John Jayberd of Diss'. Ja, ja: betet, Brüder, betet. Ach was, lieber saufen! Hier liegt er unter euren Füßen: ein Narr, ein Esel wie ihr." Der Chor stimmt die Totenmesse an.

Völlig ernst gemeint ist die Klage der "Jane Scroop" über "Philip, the Sparrow". Was wie eine Parodie auf den lateinischen Messetext klingt, wenn das "Libera me Domine" den Trauerkondukt der Vögel unterbricht, ist die tief empfundene Trauer des junges Mädchens um seinen ersten Verlust, den Hausvogel. "Jane Scroop sah keinen Grund, warum sie nicht für das Seelenheil ihres Spatzen beten sollte, und ich auch nicht", hat Vaughan Williams gesagt. Er überschrieb diesen Teil seiner Kantate "Romance" - eine Bezeichnung, die er immer dann verwendete, wenn es um starke Empfindungen ging. Übrigens straft die Instrumentation den jungen Benjamin Britten Lügen, der dem Komponisten seiner Vorgängergeneration Schwerfälligkeit nachgesagt hat.

Das letzte dieser gleichermaßen unterhaltsamen wie bewegenden musikalischen Charakterporträts ist Jolly Rutterkin gewidmet: teils anarchischer Lausbub, teils Krimineller, "der Sprache kaum mächtig", wie es im Balladentext aus dem 16. Jahrhundert heißt. Aus seinem Maul trieft Bratenfett, die Stadt macht er unsicher, und die Mädels laufen so einem Typen natürlich nach; er besäuft sich, bis "sein Hirn dem einer Ente" gleicht. Er sieht sich allerdings als gespreizten Höfling, wie im Mittelteil dieses knallig bunten, wunderbar deftigen Tudorportraits recht deutlich zu hören ist.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Sir Arnold Bax/1883 - 1953
Titel: November woods - Symphonische Dichtung für Orchester
Orchester: City of Birmingham Symphony Orchestra
Leitung: John Wilson
Länge: 17:40 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Ralph Vaughan Williams/1872 - 1958
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: John Skelton/1460 - 1529
Titel: FIVE TUDOR PORTRAITS - Choral Suite in 5 Sätzen für gemischten Chor und Orchester mit Soli für Alt < oder Mezzo > und Bariton
* Nr.1 Ballad : The Tunning of Elinor Rumming < Tell you I Will > / Chor, Mezzosopran solo
* Nr.2 Intermezzo : Pretty Bess < My proper Bess > / Bariton solo, Chor
* Nr.3 Burlesca : Epitaph on John Jayberd of Diss < Sequitur trigintale >
* Nr.4 Romanza : Jane Scroop - her Lament for Philip Sparrow < Placebo! Who is there, who? > / Mezzosopran solo, Frauenchor
* Nr.5 Scherzo : Jolly Rutterkin < Hoyda, Jolly Rutterkin > / Bariton solo, Chor)
Solist/Solistin: Rachel Kelly, Mezzosopran
Solist/Solistin: Neal Davies, Bariton
Chor: City of Birmingham Symphony Chorus
Orchester: City of Birmingham Symphony Orchestra
Leitung: John Wilson
Länge: 46:00 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Sir Arnold Bax / 1883 - 1953
Album: THE SEA IN MUSIC - VOM MEER INSPIRIERTE KOMPOSITIONEN
Titel: Tintagel - Symphonische Dichtung für Orchester (1917-1919)
Orchester: Royal Scottish National Orchestra
Leitung: David Lloyd-Jones
Länge: 14:03 min
Label: Naxos 857826970 (2 CD)

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