Medizin und Gesundheit

Krankenkassen quo vadis?

Heute geht es im Radiodoktor um ein System der ungleichen Versorgung, das seit Jahrzehnten besteht und nun verbessert werden soll. Der Leistungskatalog der 19 Krankenkassen ist in Österreich höchst uneinheitlich.
Die erstatteten Therapien, die Selbstbehalte und die Anzahl an kostenlos behandelnden ÄrztInnen und TherapeutInnen variieren von Bundesland zu Bundesland enorm.
Eine der auffälligsten Leistungsunterschiede betraf die "kleinen Kassen (BVA, SVA, SVB etc.)". Sie übernahmen ja den Löwenanteil der Kosten von Wahlärztinnen und Wahlärzten, mit denen sie Verträge hatten. Die Vorteile für die Versicherten: keine Wartezeiten, bessere Betreuung, ev. sogar raschere OP-Termine ...
Der Unmut darüber ist seit vielen Jahren groß, denn wir zahlen ja alle dieselben Beträge (3,78 Prozent) ein.
Eine Studie der London School of Economics vom August 2017 attestierte dem österreichischen Sozialversicherungswesen aber eine sehr hohe Deckungskraft - immerhin sind 99,9% der Bevölkerung krankenversichert.

Angleichung bestimmter Leistungen

Seit Juni 2017 bewegt sich aber was bei den Sozialversicherungen. In zwei Harmonisierungswellen wurden bisher etliche Vereinheitlichungen der unterschiedlichen Versicherungsträger beschlossen.
Vor dem Sommer hat die Trägerkonferenz der Sozialversicherungen in elf Bereichen Beschlüsse zur Angleichung der Leistungen gefasst. Seit 1. Oktober sind die Zuschüsse der Kassen zu Zecken-Impfung und Rollstühlen überall gleich. Vorsorgeuntersuchungen bei über 50-Jährigen um Prostatakrebs festzustellen sind ebenso bei allen Trägern kostenlos wie Transporte bei Chemo- bzw. Strahlentherapie und Dialysebehandlungen. Die Selbstbehalte für Blutzuckermessgeräte und Unterleibs-Ultraschall wurden vereinheitlicht.

Harmonisierungen ab 2018

Anfang Oktober wurden weitere Harmonisierungen beschlossen.
Zuzahlungen für Zahnspangen, Zahnprothesen, Krankentransporte und Kontaktlinsen werden ab 1. Jänner 2018 angepasst.
Noch nicht geregelt sind die Zuschüsse für Psychotherapie, Physiotherapie, Kinderbrillen, Hörgeräte und Schuheinlagen.
Auch die Ärztehonorarsätze variieren je nach Kassa stark, weshalb manche Kassen attraktivere Arbeitgeber für Mediziner sind.

Internationaler Vergleich

Die meisten europäischen Länder haben andere Sozialversicherungssysteme als Österreich. Fast alle skandinavischen Länder, Großbritannien und Italien haben nationale Gesundheitsdienste, die vom Staat durch Steuereinnahmen finanziert werden. In diesen Systemen sind die Verwaltungskosten gering, weil es jeweils nur einen Träger gibt, wie beispielsweise der NHS in Großbritannien. Länder mit mehreren Anbietern im Wettbewerb sind Deutschland, die Niederlande, die Schweiz und teilweise Belgien. In genau diesen Ländern sind die Gesundheitsausgaben am Höchsten, weil die unterschiedlichen Kassen in einem Wettbewerb stehen und für das Umgarnen der Kunden auch tief in die "Werbeausgaben-Taschen" greifen.
In Frankreich gibt es wie bei uns selbstverwaltete Sozialversicherungsträger, die in keinem Wettbewerb untereinander stehen. Grund ist eine Pflichtversicherung mit Zuordnung zu den jeweiligen Trägern.

Pläne zur Zusammenlegung

Ganz aktuell: ÖVP und FPÖ diskutieren über die Zusammenlegung einzelner oder aller Krankenkassen. Im Moment gibt es sowohl bei Selbstständigen und Unselbstständigen je nach Wohnort oder Profession unterschiedliche zuständige Kassen. Dazu kommen noch eine eigene Unfall- und Pensionsversicherung.
Bei den Beamten ist das alles noch mal anders organisiert. Neben der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter (BVA), die auch ein eigenes Pensionsservice betreibt, sind für manche Landes- und Gemeindebeamten die Krankenfürsorgeanstalten zuständig.

Fragen:

Welche Erfahrung haben Sie mit Ihrer Krankenkasse gemacht?

Waren Sie immer beim gleichen Träger versichert und wenn nicht, haben sich Unterschiede bemerkbar gemacht?

Finden Sie die unterschiedlichen Selbstbehalte und Zuschüsse je nach Träger gerechtfertigt?

Halten Sie eine Zusammenlegung mancher Kassen für sinnvoll?

Mussten Sie schon mal lange auf eine kostenfreie Therapie oder Behandlung warten?

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
Sendungsvorbereitung: Mag.a Sarah Binder
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Mag. Jan Pazourek
Generaldirektor der NÖGKK
Kremser Landstraße 3
3100 St. Pölten
Telefon: 050 899-5101
E-Mail
Mag. Jan Pazourek

MMag.a Maria M. Hofmarcher-Holzhacker
Ökonomin und Expertin für Gesundheitssysteme
MedUni Wien, Zentrum für Public Health
Department für Gesundheitsökonomie
Kinderspitalgasse 15
A-1090 Wien
Tel.: +43/1/40160/34846
E-Mail
Mag. Hofmarcher

Msc Irmgard Himmelbauer
Kinder-Ergotherapeutin, Lehrende an Fachhochschulen,
aktiv beim Verein PolitischeKinderMedizin
Rechte Wienzeile 51/4
1050 Wien
01 5810710
E-Mail
Irmgard Himmelbauer
Verein PolitischeKinderMedizin

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