Donald Trump

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Radiokolleg - Der Untergang des Abendlandes

Oswald Spengler im Zeitalter von Trump und Technokratie (1). Gestaltung: Richard Brem

Vom "Untergang des Abendlandes" ist heutzutage meist nur ironisch die Rede, wenn überbordender Kulturpessimismus oder übertriebene Schwarzmalerei kommentiert wird. Die Redewendung vom "Untergang des Abendlandes" geht zurück auf das gleichnamige Buch von Oswald Spengler, dessen erster Band 1918 in Wien erschien.

Vor dem Hintergrund des zu Ende gegangenen Ersten Weltkrieges traf das Buch damals einen besonderen Nerv: Europas Völker hatten sich jahrelang gegenseitig zerfleischt, Millionen junger Männer waren auf den Schlachtfeldern gefallen, die traditionelle europäische Herrschafts- und Staatenordnung lag in Trümmern. All das war allerdings nicht Thema in Spenglers Buch, sondern er entwarf stattdessen eine großangelegte "Morphologie der Weltgeschichte", die dem Niedergang des alten Europas gleichsam einen historischen Kontext und einen natürlichen Sinn gab. Laut Spengler glichen Kulturen nämlich "Lebewesen höchsten Ranges, sie wachsen in erhabener Zwecklosigkeit auf wie die Blumen auf dem Felde" - und sie gehen zugrunde und sterben ab, wenn sie sich verwirklicht haben.

Spengler landete mit dieser ungewöhnlichen Sicht und Deutung der menschlichen Geschichte einen Bestseller, erntete aber auch Kritik und Spott. Etwa von Kurt Tucholsky, der den Privatgelehrten Spengler einen "Karl May der Philosophie" nannte. Andere Schriftsteller wie Egon Friedell oder Thomas Mann zeigten sich hingegen beeindruckt; Manns Ideenroman "Der Zauberberg" trägt auch deutliche Züge von Spenglers Geschichtsphilosophie.

Politisch wurde Oswald Spengler in den 1920er und 1930er Jahren vor allem auf Seiten der Rechten rezipiert. Als Verfallszeichen einer zugrunde gehenden Kultur hatte der auch selbst weit rechts stehende Spengler in seinem "Untergang des Abendlandes" unter anderem die Demokratie, die Herrschaft des Geldes und die Emanzipation der Frau ausgemacht. Seine Ablehnung der Weimarer Republik war daher nur folgerichtig. Zugleich war Spenglers Verhältnis zum Nationalsozialismus aber distanziert - so verspottete er Hitler als "Prolet-Arier" und bezeichnete die NSDAP höhnisch als "die Organisation der Arbeitslosen durch die Arbeitsscheuen". Den durch die Nazis herbeigeführten, ganz realen Untergang Deutschlands und Europas als Weltmacht hat Spengler nicht mehr erlebt - er starb 1936.

Das Radiokolleg zeichnet Oswald Spenglers Leben und die Kernthesen seines Epochenwerks "Der Untergang des Abendlandes" nach, dessen Wirkungsgeschichte von Thomas Mann über Arnold Toynbee und Adorno bis zu Samuel Huntingtons "Kampf der Kulturen" und Michel Houellebecqs Roman "Unterwerfung" führt. Und es stellt die Frage nach der Aktualität Spenglers im 21. Jahrhundert - beginnend mit dem von Spengler prognostizierten Aufstieg Asiens und einer rein von Technologie getriebenen Gesellschaft, bis zum Auftreten neuer autoritärer Herrscherfiguren, die er als "Cäsarismus" bezeichnet.

Service

LITERATUR:

Oswald Spengler: "Der Untergang des Abendlandes: Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte", Anaconda Verlag, Köln, 1.472 Seiten, 978-3730604533

Oswald Spengler: "Jahre der Entscheidung: Deutschland und die weltgeschichtliche Entwicklung", Holzinger, Berlin, 154 Seiten, 978-1484070888

Oswald Spengler: "Der Mensch und die Technik: Beitrag zu einer Philosophie des Lebens", Holzinger, Berlin, 46 Seiten, 978-1484070864

Oswald Spengler: "Ich beneide jeden, der lebt: Die Aufzeichnungen 'Eis heauton' aus dem Nachlaß", Lilienfeld Verlag, Düsseldorf, 144 Seiten, 978-3940357021

Alexander Demandt: "Untergänge des Abendlandes. Studien zu Oswald Spengler", Böhlau Verlag, Köln, 216 Seiten, 978-3412508319

Detlef Felken: "Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur", C.H. Beck Verlag, München, 304 Seiten, 978-3406333262

Peter Strasser: "Spenglers Visionen: Hundert Jahre Untergang des Abendlandes", Braumüller Verlag, Wien, 140 Seiten, 978-3991002383

Friedrich Reck-Malleczewen: "Tagebuch eines Verzweifelten", Allitera Verlag, München, 220 Seiten, 978-3869067070

Barbara Beßlich: "Faszination des Verfalls: Thomas Mann und Oswald Spengler", De Gruyter, Berlin, 170 Seiten, 978-3050037738

David Engels: "Auf dem Weg ins Imperium: Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der Römischen Republik", Europa Verlag, München, 544 Seiten, 978-3944305455

Arno Bammé: "Die Apokalypse denken, um den Ernstfall zu verhindern: Unheilsprophetie von Spengler bis Sloterdijk", Metropolis, Marburg, 234 Seiten, 978-3731613008

Arne DeWinde, Sven Fabré, et al. (Hrsg.): "Tektonik der Systeme: Neulektüren von Oswald Spengler", Synchron, Heidelberg, 444 Seiten, 978-3939381907


LINK:

Robert Musil: "Geist und Erfahrung. Anmerkungen für Leser, welche dem Untergang des Abendlandes entronnen sind" (1921)

Sendereihe

Gestaltung

  • Richard Brem

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