Dimensionen

Reihe: Kriminalfälle der Wissenschaft
Mord auf der Philosophenstiege
Der Fall Schlick

Am Vormittag des 22. Juni 1936 wird der Philosoph Moritz Schlick auf einer Stiege im Hauptgebäude der Wiener Universität erschossen. Der Täter, Hans Nelböck, ein ehemaliger Student Schlicks, gibt als Motiv an, der Professor habe aktiv sein berufliches Fortkommen behindert.

In Wien kursieren aber rasch Gerüchte, ein Deutschnationaler habe "den Juden Schlick" aus weltanschaulichen Beweggründen umgebracht. Dass dieser Mord sofort ideologisch interpretiert und instrumentalisiert wurde, hat mit dem antidemokratischen und rassistischen geistigen Klima der Zeit zu tun: Die Person Moritz Schlick wurde zum Feindbild stilisiert.

Der gebürtige Berliner hatte 1924 den interdisziplinären philosophischen Zirkel "Wiener Kreis" gegründet. Dessen Ziel war eine antimetaphysische, rein wissenschaftliche Weltauffassung. Damit vertrat der Zirkel eine Gegenposition zum Deutschen Idealismus und zum autoritären christlich-katholischen Ständestaat.

Zudem wurde die Haltung des "Wiener Kreises" von antisemitischer Seite als "typisch jüdisch" verunglimpft. Und diese Töne verstummten selbst nach der Ermordung Schlicks nicht, obwohl das Opfer gar kein Jude war. Das Attentat bedeutete das Ende des "Wiener Kreises" im Ständestaat, noch bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Im Ausland fiel sein philosophisches Erbe durchaus auf fruchtbaren Boden.

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