Yannick Nézet-Séguin

HANS VAN DER WOERD

Das Ö1 Konzert

Britten, Beethoven: (anti)heroisch

Rotterdam Philharmonic Orchestra, Dirigent: Yannick Nézet-Seguin; Janine Jansen, Violine. Benjamin Britten: Konzert für Violine und Orchester op. 15 * Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55, "Eroica" (aufgenommen am 22. Dezember 2017 im De Doelen, Rotterdam). Präsentation: Peter Kislinger

Britten und Jansen

Als die mittlerweile 40-jährige niederländische Geigerin Janine Jansen vor etwa 20 Jahren das Konzert kennen lernte, fühlte sie sich sofort von der "enormen Intensität des Konzerts" angezogen, den "Gefühlen, dem Kampf und dem Schmerz. Mit jeder Note muss man eine Geschichte erzählen, aber wenn man den Hintergrund der Komposition kennt - sie entstand vor dem Zweiten Weltkrieg - dann ergibt sich sofort die richtige Stimmung." Es war für sie unverständlich, dass das Konzert lange Zeit selten gespielt wurde. Nicht zuletzt dank ihres Einsatzes hat das Konzert mittlerweile Eingang ins Standardrepertoire gefunden.


Britten, Berg und Krieg

Britten hat an seinem einzigen Violinkonzert zunächst von Mai bis Juli 1936 gearbeitet. Unmittelbar zuvor hatte Britten in Barcelona die Uraufführung und wenig später zwei britische Aufführungen von Alban Bergs Violinkonzert bzw. dessen "Wozzeck-Suite" gehört. "Nichts rührt mich so sehr wie diese Musik", hatte Britten bemerkt. Als Britten sein Violinkonzert fertig gestellt hatte, im September 1939, da war der Zweite Weltkrieg ausgebrochen. Er und sein Lebenspartner, der Tenor Peter Pears, waren in New York gestrandet, wo das Konzert im März 1940, unter der Leitung von John Barbirolli uraufgeführt wurde.

Für Jansen gibt es in dem Konzert "zwei außergewöhnliche Momente, der erste unmittelbar nach der Kadenz im 2. Satz. Es baut sich bis zu dieser Stelle eine solche Spannung auf - und dann setzen die Posaunen mit dem Thema der Passacaglia ein, und man ist am oberen Ende der Skala, eigentlich schreit man, verloren fühlt man sich, völlig allein, es ist, als ob es da etwas Bedrohliches unter einem gäbe. Das Ende des Werkes ist sehr intim, fast wie ein Gebet - als würden Sie an dieser Stelle ihre Seele in das Konzert entleeren."
Übrigens hatten Britten und sein Textdichter W.H. Auden schon im 1936 uraufgeführten Orchesterliederzyklus "Our Hunting Fathers" auf jüdische Klagegesänge angespielt.


Britten, Debussy und Krieg

Noch eine für Britten offenbar bedeutsame Schicht lässt sich erkennen. Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs Krieg hatte Claude Debussy in Budapest einen Sinti- und Roma-Geiger kennen gelernt. Von ihm ließ er sich Spieltechniken, wie das Verschleifen von Tönen nach oben und unten, zeigen - klagende Legato-Gesten. Britten war mit Debussys g-Moll Violinsonate (1917) seit früher Jugend an vertraut. Das Klage-Motiv aus deren 1. Satz taucht in der Coda des Violinkonzerts fast identisch auf, zudem in derselben Tonart. Der exzellente Pianist Britten spielte die Sonate gemeinsam mit dem Geiger Yehudi Menuhin im Juli 1945 im befreiten nationalsozialistischen "Konzentrationslager" (Vernichtungslager) Bergen-Belsen vor Ex-Gefangenen, die noch keine Bleibe gefunden hatten. Menuhin und Britten nahmen sie 1959 auf Tonträger auf.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Benjamin Britten/1913 - 1976
Titel: Konzert für Violine und Orchester op.15
* Moderato con moto - 1.Satz
* Vivace - Cadenza - 2.Satz attaca -
* Passacaglia : Andante lento - 3.Satz
Violinkonzert
Solist/Solistin: Janine Jansen /Violine < A.Stradivari "Barrere", 1727 Cremona >
Orchester: Rotterdam Philharmonic Orchestra
Leitung: Yannick Nézet-Seguin
Länge: 33:37 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Ludwig van Beethoven/1770 - 1827
Titel: Symphonie Nr.3 in Es-Dur op.55
Populartitel: Eroica
* Allegro con brio - 1.Satz
* Marcia funebre - 2.Satz
* Scherzo. Allegro vivace - 3.Satz
* Finale : Allegro molto - 4.Satz
Orchester: Rotterdam Philharmonic Orchestra
Leitung: Yannick Nézet-Seguin
Länge: 48:22 min
Label: EBU

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