Industriehalle

ORF/ANNA SOUCEK

Hundert Häuser

Raketenfabrik und KZ-Außenstelle

1942 - Serbenhalle

Die Werkshalle am Stadtrand von Wiener Neustadt wirkt unscheinbar - trotz der riesigen Dimensionen von 300 Metern Länge, 70 Metern Breite und 30 Metern Höhe. Kaum bekannt ist die Geschichte des Bauwerks. "Man wollte vergessen, was hier passiert ist", sagt Michael Rosecker, Historiker und Vorsitzender des Mauthausen Komitees Wiener Neustadt.

Die Halle war ursprünglich eine Produktionshalle in der serbischen Stadt Kraljewo - daher die Bezeichnung "Serbenhalle". 1941 wurden dort - an den Mauern des Bauwerks - hunderte Personen von der Wehrmacht als Vergeltung für Partisanenaktionen ermordet.

Für die Produktion von Rüstungsgütern wurde die Halle 1942 abmontiert und - mit 300 Güterwaggons - nach Wiener Neustadt transportiert, um dort auf dem Gelände der Raxwerke als Produktionshalle für Raketen aufgebaut zu werden. Schon für diese Arbeiten wurden KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter eingesetzt.

Als die Bombenangriffe Wiener Neustadt erreichten, wurde die Produktion für ein paar Monate ausgesetzt, um dann mit KZ-Häftlingen wieder aufgenommen zu werden. Etwa 1.000 Häftlinge mussten an der Produktion von V2-Raketen arbeiten - das waren über 90 Prozent der gesamten Belegschaft.

Die Serbenhalle war - mit der offiziellen Bezeichnung "SS-Arbeitslager Wiener Neustadt" - eine Außenstelle des Konzentrationslagers Mauthausen. Als im März 1945 die Rote Armee anrückte, kam es zu einem sogenannten "Todesmarsch", bei dem die Gefangenen und Häftlinge zurück nach Oberösterreich gebracht wurden. Viele überlebten diesen Weg nicht.

Michael Rosecker betont: "Zum einen war die Serbenhalle ein Ort, an dem die militärischen Gräuel an der Zivilbevölkerung passiert sind; zum anderen das Verbrechen, dass hier mit Zwangsarbeit und Kriegsproduktion durchgeführt wurde. Das Bauwerk repräsentiert die verbrecherische Politik des Nationalsozialismus also gleich doppelt."

Architektur: unbekannt
Errichtung: 1942
Adresse: 2700 Wiener Neustadt, Werftgasse 1

Service

Mit der Sendereihe "Hundert Häuser" wird eine Geschichte Österreichs anhand seiner Architektur erzählt - vom Jahr 1918, in dem am 12. November die Erste Republik ausgerufen wurde, bis zur Gegenwart. Für jedes Jahr steht ein historisch bedeutendes, architektonisch spannendes oder eine Epoche prägendes Bauwerk, das in jeweils einem Radiobeitrag porträtiert wird. Zu hören ist die hundertteilige Reihe von Montag bis Donnerstag um 17:25 Uhr, von Mitte Mai bis 12. November 2018.

Karl Flanner, "Das Konzentrationslager im Rax-Werk Wiener Neustadt", IVM 1998.

Florian Freund, Bertrand Perz, "Das KZ in der Serbenhalle. Zur Kriegsindustrie in Wiener Neustadt", Verlag für Gesellschaftskritik, 1987.

Brigitte Haberstroh, Maximilian Huber, Michael Rosecker (Hg.), "Stolpersteine Wiener Neustadt. Stadtführer des Erinnerns", Verein Alltag Verlag, 2011.

Denkmal Serbenhalle
Zeitgeschichte Wiener Neustadt

Sendereihe

Gestaltung

  • Roman Tschiedl

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