Zwischenruf

Marco Uschmann über Fußball

"Die schönste Nebensache der Welt". Marco Uschmann, evangelischer Pfarrer und Chefredakteur der Zeitschrift "Die Saat" sinniert über die Begeisterung am Fußball, die verbindet über Sprachen, Konfessionen, Grenzen und Milieus hinweg. - Gestaltung: Martin Gross

Am Fußball scheiden sich die Geister: Die einen haben zurzeit kein anderes Thema mehr als die Weltmeisterschaft in Russland. Die anderen können es nicht mehr hören. Aber wer hat Recht? Klare Antwort: Beide. Aber es gibt auch andere Zugänge zur schönsten Nebensache der Welt, wie der Volksmund die Kickerei auch gerne nennt.

Als 2008 die Fußballeuropameisterschaft in Österreich und der Schweiz ausgetragen wurde, war ich für die evangelischen Kirchen in Österreich für das Spektakel zuständig: Gottesdienste wurden erarbeitet, Unterrichtsentwürfe für die Schule, die Zusammenarbeit mit den katholischen Glaubensgeschwistern und den Schweizern organisiert. Insgesamt ein recht umfangreiches und oft mühsames Unterfangen. Und dennoch, bei aller Verschiedenheit der Konfessionen, der Milieus, der Länder, haben wir einander immer blendend verstanden. Denn der Fußball hat uns alle verbunden.

Das ist jetzt zehn Jahre her. Letzte Woche nun musste ich in Zürich anrufen, um eine Dienstreise in die Schweiz zu organisieren - zufällig mit dem damaligen Schweizer Beauftragten für die Fußballeuropameisterschaft. Das Erste, was der Mann am Telefon zu mir sagt - nach zehn Jahren: Weißt du, Marco, jetzt wird endlich die Schweiz Weltmeister. Was mich natürlich sofort zu heftigem Widerspruch reizte und schon war die schönste Diskussion im Gange.

Bei all dem Spaß, den dies alles bereitet, steckt dahinter selbstverständlich ein bedenkenswerter und ernsthafter Hintergrund: Bei kaum einer anderen Sache wie dem Sport habe ich eine derartige verbindende und einigende Dimension erlebt. So haben wir etwa mit Protestanten, Katholiken und englischen Botschaftsangehörigen ein Fußballturnier ausgerichtet - der damalige Oberrabbiner Chaim Eisenberg hat den Ehrenanstoß vollzogen - warum auch immer. Ich habe mit vielen Zeitgenossen über dieses Phänomen gesprochen und den Grund dafür gesucht. Es ist mir noch nicht gelungen.

"Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt", heißt es in Psalm 8 - einem Psalm, der die Schöpfung und die Werke Gottes lobt. Dazu gehört auch der Mensch mit allen Fehlern und mit all dem Schönen, was ihn ausmacht. Dazu gehört auch der Sport, dazu gehört auch der Fußball.

Aber der Mensch wäre nicht er selbst, wenn es ihm nicht gelänge, auch hier sein Unwesen zu treiben. Denn natürlich ist es nur Stückwerk, wenn ich hier ein Loblied auf den Sport und den Fußball anstimme und all die negativen Elemente unter den Tisch fallen lasse: Fair Play, Betrug, Doping, all das gehört leider zu dem großen Spektakel dazu. Nicht zuletzt auch die Gesundheit der jungen Männer und Frauen, die sie täglich aufs Spiel setzen für Rekorde, Pokale und Titel. All das stimmt und all das ist die Kehrseite der Medaille. Aber all das verschwindet, wenn spektakuläre Tore fallen oder in Glanzparaden des Torwarts verhindert werden. Denn auch im Fußball verschießen die höchstbezahlten Profis Elfmeter oder schießen am leeren Tor vorbei. Oder sie treffen - scheinbar gegen alle physikalischen Regeln - ins Netz und erzielen das entscheidende Tor.

Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, Gott? Der Mensch spielt und lässt sich begeistern im Spiel. Egal welches. Vielleicht ist es die Begeisterung, die uns verbindet. Über alle Sprachen hinweg, über alle Konfessionen und Milieus. Und über alle Grenzen hinweg.

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