Leporello

Stöbern für die Seele

Das LOKal in der Wiener Richtergasse

"Das ist kein normales Geschäft", dachte Walter Gröbchen, als er erstmals vor dem Buch- und Plattengeschäft namens "LOKal" in der Wiener Richtergasse, zwei Gehminuten von der Mariahilfer Straße entfernt, stand. Und für den experimentierfreudigen Musikverleger war diese Einschätzung höchst vielversprechend. Im LOKal arbeiten Menschen, die psychisch verletzt sind; das Geschäft gehört zum Verein LOK, und diese drei Buchstaben stehen für "Leben ohne Krankenhaus". Eva Rohrer, die das LOKal seit 2004 leitet, bietet seelisch Erkrankten hier ein von Arbeit strukturiertes, selbstbestimmtes Leben außerhalb großer Institutionen. Die betreuten Klienten sind - je nach Gesundheitszustand und Ausbildung - in unterschiedlichsten Bereichen des LOKals engagiert. Die einen servieren Kaffee und Kuchen, andere bieten musikalisch und literarisch fachkundliche Kaufberatung für die im Geschäft erhältlichen Secondhand-CDs, Bücher und Platten an. Diese werden angekauft oder von Freunden des Vereins LOK gespendet. So hinterließ etwa ein älteres Ehepaar, dessen Sohn vom Verein LOK beschäftigt wird, dem Geschäft einmal eine äußerst umfangreiche und hochwertige Klassiksammlung.

Ein Klient und Gründungsmitgied des LOKals ist Karl Klebl. Er ist Musik-Insidern wohl bekannt, denn er führte von 1976 bis ´96 das wichtigste Jazzplattengeschäft in Wien, das Red Octopus. Nach seiner Scheidung wurde Klebl manisch-depressiv und schloss die legendäre Institution. Bei einem New York-Besuch stieß er auf eine Art Vorgängermodell des LOKals, hatte die Idee, ein solches Geschäft auch in Wien zu gründen und fand beim Verein LOK rasch tatkräftige Mitstreiter. Nun stellt Karl Klebl sein profundes Wissen den Besuchern in der Richtergasse in Wien Neubau zur Verfügung. Mit Walter Gröbchen, der ganz in der Nähe übrigens sein eigenes Musikgeschäft "Schallter-Records" betreibt, fachsimpelt er gern; auch Josef Hader und der Nino aus Wien haben schon im LOKal vorbeigeschaut, und just als Leporello zu Gast war, konnte man der Schriftstellerin und Musikliebhaberin Doris Knecht beim Schmökern über die Schulter schauen.

Isabella Köffmüller gehört zum Betreuerteam und ist für die Qualitätsbeurteilung der angekauften und gespendeten Platten zuständig. Um die Kunden und die Klienten, wie die Mitarbeiter des
LOKals genannt werden, zu unterhalten, sucht sie Musik aus, die speziell zur jeweiligen Tageszeit und Stimmung passt. Diesmal ist es "Sitting on the Dock of the Bay" von Otis Redding, man könne dabei so schön vom Meer träumen, sagt Köffmüller.

Man muss aber gar nicht ans Meer fahren, es genügt schon, ein paar Schritte abzubiegen, um abseits der hektischen Einkaufsmeile Mariahilferstraße in der Richtergasse Nr. 6 heitere Ruhe zu finden.- Gestaltung: Christa Eder (Whg.)

Service

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