Medizin und Gesundheit

Zwischen Lethargie und 100.000 Volt

Erkrankungen der Schilddrüse

Klein, aber oho.

Dies trifft auf die Schilddrüse wohl mehr als auf jedes andere Organ des Menschen zu. Rund 30 Billionen Körperzellen "stehen stramm", wenn die Thyreoidea ihre Hormone ausschüttet. Man kann diese nur 20 Gramm schwere Drüse als das Gaspedal unseres Organismus bezeichnen. Die beiden Hormone T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) bestimmen die Geschwindigkeit der Stoffwechselvorgänge. Somit nimmt die Schilddrüse Einfluss auf Eiweiß, Fett- und Zuckerstoffwechsel, Mineralstoff- und Wasserhaushalt und letztlich auch auf die Gemütslage und das Herzkreislauf-System.


Häufige Störungsbilder

Dieses zarte, schmetterlingsförmige Organ ist jedoch auch recht störungsanfällig. Etwa 10 Prozent aller Österreicher leiden an einer Unterfunktion, also einer Hypothyreose.
Dabei schüttet das Organ zu wenige Hormone aus, unser Körper wird - bildlich gesprochen - auf Sparflamme heruntergedrosselt. Chronische Müdigkeit, rasche Erschöpfbarkeit, ein verlangsamter Herzschlag, Verstopfung, ein erhöhter Cholesterinwert, Antriebsschwäche und Depressionen können die Folge sein.

Durchgedrücktes Gaspedal

Rund 100.000 Österreicherinnen und Österreicher haben andererseits mit einer Überfunktion (Hyperthyreose) zu kämpfen. Hier produziert die Schilddrüse ihre beiden Hormone T3 und T4 zu fleißig, Betroffene verlieren unweigerlich an Gewicht, sie leiden an übermäßigen Herzklopfen und Schwitzen sowie an Herzrhythmusstörungen, Schlaflosigkeit, innerer Unruhe und Durchfällen.

Worauf Sie außerdem achten sollten

Das Signal mit dem die Schilddrüse - oft sogar sichtbar - darauf hinweist, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung ist, besteht in der Kropf- oder Knotenbildung. Wenn Sie also Vergrößerungen oder Knoten ertasten, suchen sie sofort einen Spezialisten auf.

Die Schilddrüse und der Kinderwunsch

Bei Frauen treten Schulddrüsenfunktionsstörungen häufiger auf als bei Männern. Jede Fünfte ist betroffen. Sogar das Zusammenspiel der Geschlechtshormone kann durch eine Schilddrüsenerkrankung gestört werden - ein unerfüllter Kinderwunsch oder mehrere Aborte können also auch hier die Ursache haben. Mittlerweile wird routinemäßig bei der Abklärung einer möglichen Unfruchtbarkeit auch der TSH-Wert bestimmt, der über eine Über- oder Unterfunktion der Drüse Auskunft gibt.

So normalisiert sich die Funktion der Schilddrüse wieder

Eine Schilddrüsenunterfunktion muss behandelt werden - es werden einfach die fehlenden Hormone substituiert, also ersetzt. Die Dosierung richtet sich nach dem Blutwert des Schilddrüsenkontrollhormons (TSH-Wert), Alter und Gewicht der Erkrankten.
Bei einer Überfunktion wird versucht wird, die Schilddrüse in ihrer Aktivität zu hemmen und auf diese Weise den Hormonspiegel zu normalisieren. Eine Hyperthyreose kann durch Medikamente, eine Operation und die Gabe von radioaktivem Jod 131 behandelt werden.

Höherer Bedarf in der Schwangerschaft

Frauen, die eine Schwangerschaft planen, wird übrigens empfohlen, auf eine ausreichende Jod- und Folsäure-Zufuhr zu achten. Der Grundumsatz der Mutter steigt, die Schilddrüse des Kindes benötigt ab der 12. Schwangerschaftswoche ebenfalls Jod usw. Insgesamt erhöht die Schilddrüse einer Schwangeren ihre Hormonproduktion zwischen 30 und 100 Prozent.

Anti-Baby-Pille als Gefahr für die Schilddrüse?

Experten gehen davon aus, dass eine symptomlose und daher unbemerkte Schilddrüsenunterfunktion durch die jahrelange Einnahme der Pille möglicherweise in späteren Jahren zu einer manifesten Hypothyreose führt, sodass es zu Problemen beim Kinderwunsch kommen kann. Falls es in Ihrer Familie Schilddrüsenprobleme gibt, ist es ratsam sich - auch im Hinblick auf eine geplante Schwangerschaft in der Zukunft - untersuchen zu lassen.

Auch manche "Wechselbeschwerden" lassen sich übrigens durch eine Fehlfunktion der Schilddrüse erklären. So können etwa Haarausfall oder Schweißausbrüche sowohl durch das Klimakterium, als auch eine Schilddrüsenerkrankung verursacht sein.

Knoten in der Schilddrüse

Der jodmangelbedingte Kropf kommt in Österreich aufgrund der Jodierung des Speisesalzes kaum mehr vor.
Es gibt aber weitere Erkrankungsbilder, die zur Knotenbildung in der Thyreoidea führen können.
Sogenannte "heiße Knoten" (in der Szintigraphie wird die hohe Hormon-Produktion durch die Farbe Rot deutlich gemacht) haben sich den Kontrollmechanismen entzogen und produzieren ungebremst die beiden Botenstoffe Thyroxin (T4) und Tri-jod-thyronin (T3).
Sogenannte "kalte Knoten" sind verdächtig in Hinblick auf einen Schilddrüsenkrebs.

Fragen:
Leiden Sie an einer Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse? Über welche Erfahrungen können Sie berichten?
Wurden Sie vor einer gewünschten Schwangerschaft auf eine mögliche Schilddrüsenerkrankung hin untersucht?
Wurden bei Ihnen jemals Knoten in der Schilddrüse festgestellt?


Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Dr. Christoph Leprich

Service

OÄ Dr.in Eva Petnehazy
Ärztin für Allgemeinmedizin, FÄ für Innere Medizin, FÄ für Nuklearmedizin und in Ausbildung für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen
Leitung der Schilddrüsenambulanz am KH der Barmherzigen Brüder Graz
Abteilung für Innere Medizin II
Standort Graz-Eggenberg
Bergstraße 27
8020 Graz
Tel.: +43 (0)316 / 5989-27000
Schilddrüsenambulanz

Assoc.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Johannes Ott, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Univ.-Klinik Frauenheilkunde der Meduni Wien
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
Telefon: 01/ 40400 28190
E-Mail


Österreichische Schilddrüsengesellschaft
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Österreichisches Schilddrüsenforum
Deutsches Schilddrüsenforum
Häufige Erkrankungen der Schilddrüse
Schilddrüsenwerte TRH/TSH
Schilddrüse und Schwangerschaft

Gertrud Teusen, "Kleine Schilddrüse - große Wirkung: Alles über Hashimoto, Über - und Unterfunktion", Bassermann Verlag 2017

Anneli Hainel, Marcel Ermer, "Schilddrüse in Balance: Gut leben mit Hashimoto, Basedow, Über- und Unterfunktionen", Trias Verlag 2015

Frank Grünwald, Karl-Michael Derwahl, "Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenkrankheiten: Ein Leitfaden für Klinik und Praxis", Verlag Lehmanns 2016

Georg Zettinig, Wolfgang Buchinger, "Meine Schilddrüse und ich - Der Ratgeber für ein gutes Miteinander", Facultas Verlag 2014

Claudia Berger, "Erkrankte Schilddrüse - Lindern und Heilen", Create Space Independent Publishing 2015

Izabella Wentz, Marta Nowosadzka, "Hashimoto im Griff", Verlag VAK 2015

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