Night of the Proms in The Royal Albert Hall

AFP / JUSTIN TALLIS

Das Ö1 Konzert

Promenieren Yes, please, applaudieren No, thank you?

BBC Symphony Orchestra, Dirigent: Sakari Oramo; BBC Proms Youth Ensemble; BBC Symphony Chorus; National Youth Choir of Great Britain. Ralph Vaughan Williams: Toward the Unknown Region Gustav Holst: Die Planeten op. 32 Anna Meredith: Five Telegrams (aufgenommen am 13. Juli in der Royal Albert Hall, London im Rahmen der "Proms 2018", First Night of the Proms). Präsentation: Peter Kislinger

In memoriam Oliver Knussen

Fünf Tage vor dem Eröffnungskonzert 124. Saison der Londoner Promenade Concerts, kurz BBC Proms, verstarb im 66. Lebensjahr der englische Komponist und Dirigent Oliver Knussen. Seine Werke wurden bei den Proms 25 Mal gespielt. Als Dirigent gab er sein Proms-Debüt 1983 im Alter von 31 Jahren. Von Komponistenkollegen und -kolleginnen wurden in sehr persönlich gehaltenen Nachrufen seine großzügige Kollegialität und besonders seine Förderung von Komponistinnen - ohne Binnen-I - erwähnt. Knussen war mit dem BBC Symphony Orchestra eng verbunden gewesen, und so eröffneten das Orchester und sein finnischer Chefdirigent Sakari Orama den Abend und die BBC Proms mit Knussens "Flourish with Fireworks", ein Tusch mit Feuerwerk, mit dem 1988 das London Symphony Orchestra seinen neuen Chefdirigenten Michael Tilson Thomas willkommen hieß. Der Titel des fünfminütigen Werkes ist eine Huldigung an Igor Strawinsky, auf dessen Opus 4, "Feu d'artifice", Feuerwerk, angespielt wird.

Rote Programmfäden

Runde Gedenkjahre bestimmen die heurige Saison der Proms. Vor 100 Jahren wurde der Dirigent und Komponist Leonard Bernstein geboren, vor 100 Jahren starben Claude Debussy, Lili Boulanger und Hubert Parry, vor 60 Jahren Ralph Vaughan Williams. Ein weiterer roter Programmfaden ist der 1. Weltkrieg bzw. dessen Ende im Jahr 1918. Den offiziellen Anfang machte das Chororchesterwerk "Toward the Unknown Region" von Vaughan Williams.

Holsts Orchestersuite "The Planets" und der Applaus

Gustav Holst begann 1914 an seiner Orchestersuite "The Planets" zu arbeiten, kurz vor dem Ausbruch des "Great War". Uraufgeführt wurde Holsts bekanntestes Werk erst im September 1918 - also noch vor dem Ende der weltweiten Katastrophe.
Während der siebensätzigen Suite kam im Eröffnungskonzert mit Ausnahme nach "Saturn" und "Uranus" Applaus auf. Nach dem "Saturn"-Satz unterband Sakari Oramo den Applaus. Norman Lebrecht, der streitbare und umstrittene, englische Musikpublizist, schrieb auf seinem Blog von "hirnlosem Applaus". Klatschen störe den "Zusammenhang (und die Konzentration der Musikausübenden), ist schlechtes Benehmen und rücksichtslos anderen Zuhörern gegenüber. Diese merkwürdige Obsession mit dem Klatschen findet sich in sehr wenigen Ländern." In fast 100 Postings tobte das Pro und Contra Applaus zwischen den Sätzen "klassischer" Musik.

Die Applaudierenden hätten ein mit den Konventionen nicht vertrautes Verhalten an den Tag gelegt? Das heißt doch, dass neues Publikum sich für "ernste Musik" interessiere; so eine spontane Beifallskundgebung sei doch begrüßenswert. Jene Gruppe, die "gutes Benehmen" einforderte, erinnerte etwa an Wimbledon, wo während eines Tennismatches niemand spreche, weil dies üblich sei und man das "Protokoll" verstünde. Man möge sich doch, schrieb eine Posterin, "in Klassikkonzerten nicht für das Protokoll schämen. Wenn man es befolgt, ist man kein elitärer patriarchalischer Ausbeuter. Es bedeutet auch nicht, dass man Farbige und LGBTIQ hasst." LGBTIQ steht für "Lesbisch Schwul Bi Trans Inter Queer" (im Englischen Lesbian Gay Bisexual Trans Intersex Queer).

Viele Musikausübende schlugen sich auf die Seite der - übrigens wenigen - Applaudierenden in der ausverkauften, knapp 6000 fassenden Royal Albert Hall in Londons Stadtteil Kensington. Die Pro-Gruppe erinnerte etwa an Haydns, Mozarts und Beethovens Zeiten, als zwischen den Sätzen Beifall gespendet wurde. Mozart wurde als Kronzeuge beschworen, der in Briefen erfreut und stolz berichtete, wenn zwischen den Sätzen seiner Instrumentalkonzerte oder Symphonien geklatscht wurde. Die viel beschworene Konvention, die quasi-sakrale Atmosphäre, sei mithin eine relativ neue Entwicklung.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Oliver Knussen (1952 - 2018)
Titel: Flourish with Fireworks op.22 - für Orchester
Orchester: BBC Symphony Orchestra
Leitung: Sakari Oramo
Länge: 04:10 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Ralph Vaughan Williams/1872 - 1958
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Walt Whitman/1819 - 1892
Titel: Toward the Unknown Region - Lied für Chor und Orchester nach einem Gedicht von Walt Whitman
* Grave ma non troppo
Textanfang: Darest thou now, O soul, walk out with me toward the unknown region
Chor: BBC Symphony Chorus
Orchester: BBC Symphony Orchestra
Leitung: Sakari Oramo
Länge: 11:20 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Gustav Holst/1874 - 1934
Gesamttitel: DIE PLANETEN op.32 - Suite für großes Orchester
Anderer Gesamttitel: THE PLANETS
Titel: Nr.1 Mars - Überbringer des Krieges
Titel: Nr.2 Venus - Überbringerin des Friedens
Titel: Nr.3 Merkur - der geflügelte Bote
Titel: Nr.4 Jupiter - Überbringer der Fröhlichkeit
Titel: Nr.5 Saturn - Überbringer des Alters
Titel: Nr.6 Uranus - der Zauberer
Titel: Nr.7 Neptun - der Geheimnisvolle (mit Frauenchor)
Choreinstudierung: BBC Symphony Chorus
Orchester: BBC Symphony Orchestra
Leitung: Sakari Oramo
Länge: 50:35 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Anna Meredith / *1978
Titel: Five Telegrams (UA)
* Telegram 5
Chor: BBC Symphony Chorus
Chor: National Youth Choir of Great Britain
Orchester: BBC Symphony Orchestra,
Orchester: BBC Proms Youth Ensemble
Leitung: Sakari Oramo
Länge: 04:35 min
Label: EBU

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