Medizin und Gesundheit

"Mit dem Gehirn Gassi gehen"

Gedächtnistraining - werden Sie zum Architekten Ihres Gehirns

"Erinnerungen sind der Kitt, der dein Leben zusammenhält", sagte der in Wien geborene und in die USA emigrierte Neurowissenschaftler Eric Kandel in einem Interview. Umso bedrohlicher, wenn das Gedächtnis im Alter nachlässt oder sich Zeichen einer Demenz zeigen.
Dabei sind wirksame Medikamente, die uns geistig fit halten längst erfunden: Es sind unsere Füße. "Gehen macht schlau, gesund und glücklich", wie Katharina Turecek, Expertin für angewandte Gehirnforschung meint. Neben dem Trainieren der Merkfähigkeit kann auch Ausdauersport zu einer guten Gedächtnisfunktion führen und das Wachstum von Gehirnzellen anregen. Die Fließgeschwindigkeit in den Gefäßen nimmt zu und das Gehirn hat eine bessere Durchblutung.
Schließlich ist seit einigen Jahren bekannt, dass Nervenzellen im Gehirn im Laufe des Lebens neu entstehen können. Körperliche Aktivität regt die Neubildung von Neuronen im Hippocampus an. Dieses Areal gehört zum limbischen System und damit zu jener Funktionseinheit im Gehirn, die für die Verarbeitung von Emotionen, sowie das Gedächtnis zuständig ist. Geistige Fitness ist somit keine Frage des Alters, sondern eine Frage der Aktivität. Ähnliches gilt auch für das seelische Wohlbefinden. Nicht umsonst sind die Symptome einer beginnenden Demenzerkrankung und einer Depression oft nur schwer zu unterscheiden.

Natürliche Abbauprozesse und Neuroplastizität

Mit zunehmendem Alter nehmen Informationsverarbeitung und Gedächtnisfunktion ab. Allerdings wird lediglich die Anzahl der Nervenzellkörper in der grauen Substanz reduziert. Die weiße Substanz, also die mit Fett isolierten Nervenfasern, verbindet die einzelnen Gehirnareale miteinander. Sie bleibt indes über lange Zeit intakt. Erst in späten Lebensabschnitten werden auch diese Verdrahtungen geschädigt. Dieser Prozess scheint für eine Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit verantwortlich zu sein. Allerdings lassen sich genau diese Kommunikationsautobahnen der weißen Substanz durch körperliche Aktivität frisch beleben. Der Zusammenschluss verschiedener Areale lässt sich trainieren und ist in jedem Lebensalter möglich. Ein gesundes altes Gehirn ist demnach flexibel. Selbst wenn etwa nach einem Schlaganfall Nervenzellen unwiederbringlich absterben, so springen andere Zellen ein, um deren Aufgabe zu übernehmen.


"Gassi gehen mit dem Gehirn"

Training hilft präventiv, aber auch, um den Abbauprozess bei Demenzerkranken zu verlangsamen. Allerdings muss das Gehirn auch gefordert werden: "Sinnlose Dinge einfach stupide auswendig zu lernen, ist sicher der falsche Weg", meint der Psychiater und Neurologe Josef Spatt. Es bedarf komplexerer Aufgabenstellungen, die nicht nur die Merkfähigkeit schulen, sondern auch emotionale und soziale Aspekte miteinbeziehen. Gemeinsam ein Buch zu lesen und darüber zu sprechen sei beispielsweise eine weit geeignetere Möglichkeit, als die Einkaufsliste zu memorieren.
Hinzu kommt die körperliche Aktivität. Das bekannte Motto "Use it or loose it" gilt nicht nur für die Muskeln, sondern auch unser Gehirn. Um sich nicht zwischen Gehirnjogging und körperlicher Betätigung entscheiden zu müssen, bietet sich der "Gehirnspaziergang" als ganzheitliches Trainingsprogramm an. Am besten im Wald - dabei achtsam Gerüche und Pflanzen wahrnehmen, Zungenbrecher üben und ein Gedicht auswendig lernen.
Auch der Nobelpreisträger Eric Kandel Eric Kandel rät gegen das Vergessen: "Gewicht halten, Blutdruck senken, Bewegung - und bitte keine Angst vorm Hörgerät!" Denn unser Gehirn braucht stets neue Informationen, um wachsen zu können.

Wie man sein Gehirn flexibel und damit fit hält und ab wann die Vergesslichkeit besorgniserregend ist, darüber spricht Ronny Tekal mit seinen Gästen in der aktuellen Ausgabe des Radiodoktors.


Eine Sendung von Dr. Christoph Leprich und Dr. Ronny Tekal

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.


Fragen:

Auf welche Weise trainieren Sie Ihr Gehirn?

Haben Sie besondere Mnemotechniken, um sich im Alltag z.B. Namen oder Telefonnummern zu merken?

Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Ausdauersport die Gehirnleistung steigert?

Welche Erfahrungen haben Sie mit Angehörigen, die von Demenzerkrankungen betroffen sind?

Eine Sendung von Dr. Ronny Tekal und Dr. Christoph Leprich

Service

Studiogäste im FH Wien


Dr.in Katharina Turecek, MSc.
Medizinerin, Expertin für angewandte Gehirnforschung
Ehemalige Jugendgedächtnismeisterin
Leiterin des Instituts für Gehirntraining a-head
Bürgermeisterweg 77
A-1120 Wien
Tel: +43/676/71 24 796
E-Mail
Homepage

Univ.-Doz. Josef Spatt
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
Stiftgasse 21/17
A-1070 Wien
Tel: +43/6991/924 90 54
E-Mail
Homepage


Anlaufstellen:

Übersicht der Gedächtnisambulanzen

Infos über das Gedächtnis

Techniken um sich mehr zu merken


Innsbrucker Forscher entschlüsseln das Gedächtnis


Demenzportal Österreich

Hirn-Training: Spiegel Online 2018

Institut für Gehirntraining a-head


Bücher:

Katharina Turecek
Gehirnspaziergang
Schritt für Schritt geistig fit
Krenn Verlag 2018

Martin Korte
Wir sind Gedächtnis: Wie unsere Erinnerungen bestimmen, wer wir sind
Deutsche Verlagsanstalt 2017

Gerald Hüther
Raus aus der Demenz-Falle!: Wie es gelingen kann, die Selbstheilungskräfte des Gehirns rechtzeitig zu aktivieren
Arkana Verlag 2017

Petra Mommert-Jauch
Gehirntraining: Das Bewegungsprogramm
BLV Verlag 2018

Sendereihe