Medizin und Gesundheit

Psyche und Alter

Häufig nicht erkannt - Psychiatrische Erkrankungen im Alter


In den vergangenen hundert Jahren hat sich die Anzahl der Menschen, die älter als 65 Jahre alt sind, verdreifacht. Die Lebenserwartung hat sich verdoppelt. Damit steigt auch die Zahl der alterspsychiatrischen Erkrankungen. Am häufigsten treten bei den über 65-jährigen Depressionen, Angsterkrankungen, die Demenz und das Delir auf. Seltener kommt es zu psychotischen Symptomen bzw. Alkohol- und/oder Medikamentenabhängigkeit.

Nicht immer eindeutig

Etwa fünf bis zehn Prozent aller SeniorInnen weisen eine Depression auf. Manche haben dieses Beschwerdebild bereits seit vielen Jahren, andere erkranken erstmals im fortgeschrittenen Alter. Ursachen für eine Altersdepression sind kognitive Einschränkungen sowie hirnorganische und psychosoziale Faktoren. Es können sich viele Ereignisse negativ auf die Psyche auswirken: der Eintritt in die Pension, der Verlust von Lebensaufgaben und Zielen, der Tod des Ehepartners und von Freunden, chronische Schmerzen, Angst vor dem Sterben etc. Im Vergleich zu jüngeren Betroffenen klagen ältere PatientInnen weniger über ihre depressive Gefühlswelt, sondern mehr über somatische Beschwerden wie Schwindel, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit. Deshalb wird eine Altersdepression in vielen Fällen auch nicht erkannt. Überdies können depressive Beschwerden auch Zeichen einer Demenz sein. Genaues Hinschauen ist demnach besonders wichtig.

Angst vor der Welt

Mit der Depression gehen auch im Alter oft Ängste einher. Viele alte Menschen sind von unserer schnelllebigen, in weiten Bereichen digitalisierten Welt, stark überfordert. Sie fühlen sich nicht mehr zugehörig und haben Angst, immer mehr zu vereinsamen. In manchen Fällen entwickeln sich behandlungsbedürftige Angsterkrankungen, etwa soziale Phobien, eine Agoraphobie, eine generalisierte Angststörung oder eine Zwangserkrankung. Ängste können ebenso wie Depressionen auch bei Seniorinnen und Senioren einerseits medikamentös, andererseits mittels Psychotherapie behandelt werden. Ängste können übrigens auch durch verschiedene körperliche Beschwerden bedingt sein, etwa Herzkreislauf-Erkrankungen oder eine chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD).

Das große Vergessen

Eine typische psychiatrische Erkrankung des Alters ist natürlich die Demenz. Bei den 65-69-jährigen sind rund ein Prozent betroffen, bei den über 90jährigen bereits 40 Prozent. Eine Demenz-Erkrankung geht oftmals mit Depressionen, Ängsten und psychotischen Symptomen einher. Andererseits können Depressionen - wie bereits erwähnt - auch Vorboten einer Demenz sein. Leider gibt es für die Alzheimer-Erkrankung noch immer keine Heilung, jedoch können die zur Verfügung stehenden Medikamente den Verlauf verlangsamen. Übrigens ist in den Anfangsstadien einer Demenz ebenfalls eine Psychotherapie sehr sinnvoll und hilfreich.
Eine auf den ersten Blick der Demenz ähnliche alterspsychiatrische Erkrankung ist das Delir. Dabei handelt es sich um einen akuten Verwirrtheitszustand, dem häufig eine interniste Ursache zugrunde liegt, etwa fieberhafte Harnwegsinfekte, Lungenentzündungen oder Flüssigkeitsmangel. Delirien müssen rasch erkannt und behandelt werden, da sie auch lebensbedrohlich verlaufen können.

Probleme unbedingt ansprechen

Für psychiatrische Erkrankungen bei älteren Menschen sind mehrere Fachbereiche zuständig. Und zwar unter anderem der Hausarzt, Geronto-Psychiater, Geronto-Psychotherapeuten und nicht zuletzt Internisten. Denn auch viele körperliche Erkrankungen bzw. Medikamente können zu den genannten psychischen Beschwerdebildern führen. Andererseits kann psychisches Leid bestehende körperliche Krankheiten, etwa Diabetes oder Herz-Kreislauferkrankungen, verstärken.
Die große Herausforderung für die Betreuenden ist es, zwischen natürlichen Alterserscheinungen, körperlichen Erkrankungen und einer psychischen Störung zu unterscheiden. Eine rasche Diagnose und Therapie seelischer Probleme ist nicht zuletzt deshalb wichtig, damit die Betroffenen so lange wie möglich selbständig leben können. Dafür notwendig ist aber, dass die Seniorinnen und Senioren ihre Beschwerden nicht bagatellisieren, wie leider häufig der Fall, sondern bei ihrem Arzt des Vertrauens offen ansprechen.

Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Mag.a Nora Kirchschlager
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Sind Sie Senior/Seniorin und von einer psychiatrischen Krankheit betroffen?

Sind Sie depressiv oder haben Sie bestimmte Ängste?

Sind Sie von einer Demenz betroffen? Wie geht es Ihnen damit?

Hatten Sie bereits in früheren Jahren seelische Probleme oder sind diese erst im Alter aufgetreten?

Was tun Sie, damit es Ihnen besser geht? Wer hilft Ihnen?

Sind Sie ein Angehöriger und haben ältere Verwandte mit psychischen Problemen? Wie versuchen Sie zu helfen?

Service

Prim.a Dr.in Asita Sepandj, Psychosoziale Dienste Wien, Leiterin des GerontoPsychiatrischen Zentrums
Homepage

Elisabeth Grünberger, Gerontopsychotherapeutin

Prim. Dr. Michael Smeikal, MSc
Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie; Zusatzfach Geriatrie
Haus der Barmherzigkeit Tokiostraße
Homepage

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Delir: Vielfältige Ursachen
Gerontopsychotherapie
Ist Psychotherapie im Alter noch sinnvoll?

Gerald Hüther, "Raus aus der Demenz-Falle!: Wie es gelingen kann, die Selbstheilungskräfte des Gehirns rechtzeitig zu aktivieren", Verlag: Arkana; Auflage: 4 (2. Oktober 2017)

Udo Baer, Gabi Schotte-Lange, "Das Herz wird nicht dement: Rat für Pflegende und Angehörige", Verlag: Beltz; Auflage:

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