Schilderwald

ORF/KERSTIN TRETINA

Praxis Spezial

Die Shoah-Opfer von Maly Trostinec

"Maly Trostinec" - Den Toten ihre Namen geben. - Gestaltung: Kerstin Tretina

Im weißrussischen Ort Maly Trostinec bei Minsk sind während des Zweiten Weltkrieges knapp 10.000 jüdische Menschen aus Wien von den Nationalsozialisten ermordet worden, an keinem anderen Ort sind so viele österreichische Jüdinnen und Juden während des Holocaust ermordet worden - erschossen oder vergast. Der Vernichtungsort ist in Österreich immer noch wenig bekannt. Es ist ein Massengrab im Wald ohne Grabstein - noch. Denn Ende Juni wurde symbolisch der Grundstein für ein österreichisches Denkmal in Maly Trostinec gelegt. In den kommenden Monaten soll es entstehen. Den Anstoß dafür hat eine Privatinitiative gegeben:

"Habt ihr eure Toten wiedergefunden?" hat eine alte Weißrussin einmal zu ihr gesagt, als Waltraud Barton wieder ihre gelben, folierten Zettel an Bäume in dem kleinen Wäldchen am Rand der weißrussischen Hauptstadt Minsk angebracht hat. Darauf stehen Namen jener österreichischen Jüdinnen und Juden, die in Maly Trostinec ermordet worden sind. Die Wiener Mediatorin und Schauspielerin Barton hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Toten ihre Namen zurückzugeben. Auch heuer wurden, im Rahmen der 10. Gedenkreise nach Maly Trostinec, wieder neue Schilder mit Namen von Opfern aufgehängt. Knapp 500 sind es mittlerweile. Im Zuge der Recherche ihrer eigenen Familiengeschichte ist Barton auf diesen Vernichtungsort gestoßen, auch einige ihrer Verwandten sind dort ermordet worden. Zum Beispiel die erste Frau ihres Großvaters, Malvine Barton, nach der sie ihren Verein "Initiative Malvine - Maly Trostinec erinnern" benannt hat. Barton hat recherchiert und alle Namen von den detaillierten Deportationslisten abgeschrieben und als Buch herausgegeben ("Maly Trostinec - Das Totenbuch. Den Toten ihre Namen geben"). Sie setzt sich seit langem dafür ein, dass die tausenden Toten von Maly Trostinec auch ein Grabmal, eine Gedenkstätte bekommen.

In Weißrussland wurden von den Nationalsozialisten nicht nur Tausende österreichische Jüdinnen und Juden ermordet; die dort weit verbreitete, vielfältige jüdische Kultur wurde nahezu ausgelöscht. Erst langsam - in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten - wurde das jüdische Leben in Weißrussland, vor allem in der Hauptstadt Minsk, wiederbelebt.
Diese Spezialausgabe von "Praxis - Religion und Gesellschaft" berichtet von der 10. Gedenkreise nach Maly Trostinec, gibt ein Beispiel von außergewöhnlicher Erinnerungs- und Gedenkarbeit und einen Einblick in die religiöse Landschaft. - Gestaltung: Kerstin Tretina

Service

Buch, Waltraud Barton, IM-MER (Hg.), "Maly Trostinec - Das Totenbuch. Den Toten ihre Namen geben", Edition Ausblick, erhältlich bei: Verein IM-MER, A-1090 Wien, Lazarettgasse 30/34


IM-MER. Initiative Malvine - Maly Trostinec erinnern
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes

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