Ein Paar in einer Ausstellung von Edvard Munch

AFP/DANIEL ROLAND

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Edvard Munch

"Bilder der Seele". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, über den norwegischen Jahrhundertwendestar Edvard Munch anlässlich dessen 75. Todestages. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Ein Bild, das mich immer wieder aufs Neue berührt. Nicht nur, weil mir als Mutter zweier Kinder das Thema ungemein nahegeht. Sondern auch, weil es das kompromisslose Ringen eines Künstlers spiegelt mittels Farben, Formen und Pinselstrichen den zentralen Fragen des Lebens näherzukommen.

Bei dem fast quadratischen Ölgemälde "Das kranke Kind" aus den Jahren 1885 bis 1886 handelt es sich um eines der bekanntesten Werke am Beginn der Moderne. Gemalt hat das Bild aus der Nationalgalerie in Oslo Edvard Munch einer der einflussreichsten Künstler des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Munch hat später noch weitere Variationen dieses Motivs in Form von Ölbildern oder Grafiken realisiert.

Jedes Mal, wenn ich das geheimnisvolle Bild betrachte, wird mein Blick von einer leuchtenden Stelle eingenommen. Es sind die knallig orangeroten Haare eines Mädchens vor einem weißen Hintergrund in Form eines Kopfpolsters, die mich fesseln. Das Kind sitzt aufrecht in einem Bett und schaut in strenger Profilansicht in Richtung einer zweiten Person, die neben dem Bett sitzt. Das Gesicht dieser Frau erkenne ich nicht. Denn der Kopf mit den zusammengeknoteten Haaren ist resigniert oder verzweifelt auf die Brust gesunken.

Während die beiden Figuren einander nicht anschauen, berühren sich die Hände von Frau und Mädchen. Allerdings ist durch die skizzenartige Malweise schwer zu erkennen, wer wessen Hand hält. Besonders unvergesslich ist der gleichermaßen glasklare wie auch verinnerlichte, ins Leere schauende Blick des todkranken Kindes.

Edvard Munch hat in diesem Gemälde zweifelsohne Krankheit und Tod zahlreicher geliebter Menschen rund um ihn aufgearbeitet. Einige Jahre vor der Entstehung war etwa seine Schwester Sophie mit nur 15 Jahren an Tuberkulose verstorben. Auch seine Mutter hatte er bereits als Fünfjähriger verloren.

Das Besondere aber ist, dass er diese damals durchaus verbreitete Thematik in eine expressive Malerei mit vielen Farbschichten übersetzte. Immer wieder kratzte und schabte er die Farbe ab, malte eine neue Schicht darüber, so dass eine reliefartige Struktur entstand. Kein Wunder also, dass es zu einem großen Skandal kam, als das Gemälde erstmals öffentlich ausgestellt wurde. Munch selbst ließ sich von seinem Weg das Innerste nach außen zu kehren nicht abbringen und meinte visionär: "Ich male nicht, was ich sehe - sondern was ich sah."

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Edward Elgar/1857 - 1934
Titel: Konzert für Violine und Orchester in h-moll op.61
* Andante - 2.Satz (00:11:42)
Violinkonzert
Solist/Solistin: Itzhak Perlman /Violine
Orchester: Chicago Symphony Orchestra
Leitung: Daniel Barenboim
Ausführender/Ausführende: Daniel BARENBOIM /isral.Pianist u.Dirigent/15.11.1942 Buenos Aires
Länge: 11:42 min
Label: DG 4133122

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