Karussell

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Gedanken für den Tag

Franz Josef Weißenböck über Himmelfahrten

"Himmelfahrten". Franz Josef Weißenböck, katholischer Theologe und Autor, über Augenblicke der Welt- und der Selbstvergessenheit. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Himmelfahrt und Weltbild

Am Donnerstag dieser Woche steht im Kalender Christ Himmelfahrt - für viele Menschen ein arbeitsfreier Tag. Man muss dafür nicht an Himmelfahrt glauben. Dieser Glaube fällt modernen Menschen auch schwerer als früheren Generationen.

Wer im antiken Weltbild lebte, hatte es da leichter. Die Welt war geordnet: Oben war der Himmel, unten die Unterwelt und dazwischen der Raum des Menschen. Himmelfahrt nach oben, Höllensturz nach unten entsprechen diesem Weltbild. Unwillkürlich und unbedacht sind auch moderne Menschen von diesen Vorstellungen geprägt. Wenn sie "o Gott!" sagen, wenden sie den Blick nach oben.

Im alten Rom gab es die Übung der consecratio: Die verstorbenen Herrscher wurden unter die Götter versetzt. Eine Abwandlung dieser Versetzung in den Himmel sind die in der römischen Kirche üblichen Heiligsprechungen. Sie sind allerdings nicht auf die Regenten und Päpste beschränkt, sondern auch für einfache Menschen erreichbar, auch für Frauen. Im alten Rom musste ein Zeuge aussagen, er habe den verstorbenen Kaiser im Rauch des Scheiterhaufens zum Himmel emporsteigen gesehen. Für die Heiligsprechungen heute braucht es ein Wunder.

Vor rund sechs Jahrzenten hat der Begriff Himmelfahrt eine neue, sehr konkrete Form der Verwirklichung gefunden: Am 12. April 1961 umrundete der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch unseren Planeten im Weltraum. Nicht Mythos und Religion haben Gagarins Raumfahrt ermöglicht, sondern die moderne Wissenschaft. Ihr verdanken wir auch die Einsicht, dass unsere Erde nicht der fixe Mittelpunkt des Universums ist. Der Mensch sei ein "Zigeuner am Rand des Universums", sagte einst, politisch inkorrekt, der Nobelpreisträger Jaques Monod. Wenn es einen Rand gibt, muss es auch ein Zentrum geben - aber selbst das scheint heute alles andere als sicher.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Zbigniew Preisner/geb.1955
Gesamttitel: TROIS COULEURS: BLANC / Original Filmmusik
Titel: Morning at the hotel
Anderer Gesamttitel: DREI FARBEN: WEISS / Original Filmmusik
Ausführende: The String Sextett
Ausführender/Ausführende: Zbigniew Paleta /Violine
Länge: 02:26 min
Label: Virgin 394722

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