Erwin Ringel

APA/BARBARA GINDL

Salzburger Nachtstudio

Auf der Suche nach der "Österreichischen Seele"

Zum 25. Todestag Erwin Ringels
Gestaltung: Daphne Hruby

"Mr. Suicide" nannten ihn die Amerikaner. Dabei waren sie voller Respekt für Erwin Ringel - den Begründer der "Internationalen Vereinigung für Selbstmordverhütung (IASP)". Zuvor hatte der Psychiater und Neurologe 1948 in Wien bereits das weltweit erste Zentrum für Suizidprävention gegründet - zu einer Zeit, in der Menschen nach einem Selbstmordversuch noch geächtet wurden und keinerlei adäquate Therapie bekamen.

"Wir sollten Menschen zu ihren Lebzeiten anerkennen, uns ihres Wertes rechtzeitig bewusst werden", sagte hingegen Ringel und beschäftigte sich mit den Gründen, die zu einer derartigen Verzweiflungstat führten. Aus der Analyse von knapp 750 Fällen formulierte er schließlich das "präsuizidale Syndrom".

In Österreich ist Erwin Ringel vor allem für sein 1984 erschienenes Werk "Die Österreichische Seele" bekannt. Ein Bestseller, der dem Arzt einerseits Respekt, andererseits große Anfeindungen einbrachte. Ein "Nestbeschmutzer" wurde er genannt. Vielen schmeckte offensichtlich nicht, dass Ringel Österreich darin als die "Brutstätte der Neurose" bezeichnete und der Bevölkerung unterstellte, die Kinder zu "devotem Dienen" und "vorauseilendem Gehorsam" zu erziehen. Dabei ging es ihm eigentlich wiedermal darum aufzuzeigen, was hinter Depressionen und der damals hohen Suizidrate Österreichs steckte. "Was kränkt macht krank", heißt demnach auch eines der Kapitel.

Erwin Ringel besaß einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. 1939 wurde er als 18-Jähriger kurzzeitig von der Gestapo verhaftet, weil er an einer antinationalsozialistischen Großkundgebung am Stephansplatz, dem "Rosenkranzfest", teilgenommen hatte. Später wurde er zum Kriegsdienst eingezogen, wo er im Lazarett bereits erste medizinische Erfahrungen sammelte. Kurz darauf beleidigte er seinen Vorgesetzten und schimpfte auf Hitler. Durch den Einsatz befreundeter Ärzte kam er danach nicht nur mit dem Leben davon, sondern wurde auch aufgrund "psychiatrischer Probleme" vorzeitig aus der Wehrmacht entlassen. Angeblich weckte dieser Vorfall sein Interesse für sein späteres Spezialgebiet.

Der Mann mit dicker Hornbrille und ausgeprägtem Faible für Georg Kreisler aber auch die Oper war keineswegs öffentlichkeitsscheu. Er verstand es das Publikum mit seinen unkonventionellen Auftritten zu fesseln und für sein Arbeitsgebiet zu interessieren.
In Österreich sterben pro Jahr noch immer mehr als zweieinhalb Mal so viele Menschen aufgrund eines Suizids als infolge eines Verkehrsunfalls. Was ist also 25 Jahre nach Erwin Ringels Tod von seinem revolutionären Einsatz geblieben? Und wer war der Mann, der so treffsicher in die "Österreichische Seele" zu blicken vermochte?

Sendereihe

Gestaltung

  • Daphne Hruby