Zwischenruf

Sr. Maria-Andreas Weißbacher über verschiedene Religionen

Über wertvolle Lernprozesse beim Dialog mit verschiedenen Religionsangehörigen erzählt Sr. Maria-Andreas Weißbacher, Leiterin des Referats für interreligiösen Dialog der Diözese Klagenfurt. - Gestaltung: Martin Gross

Am 9. September beginnt in den westlichen Bundesländern wieder die Schule. Dabei ist es am Sonntag davor an vielen Orten üblich, dass die religiöse Feier zu diesem Anlass von Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Konfessionen und Religionen gemeinsam vorbereitet und gestaltet wird. Kinder erfahren auf diese Weise früh, dass es verschiedene Wege zu einem Gott, der Ursprung und Ziel allen Lebens ist, gibt. Sie erleben, dass eine solche Weltsicht Menschen miteinander verbinden, ja, geistige Brücken zueinander bauen kann.

Ich empfinde bei solchen Feiern eine unendlich weite Geborgenheit, die mir einfach gut tut. Da werden Menschen aus anderen Kulturen oder Religionen, Menschen aus ganz anderen Gesellschaftsschichten als Schwestern und Brüder erkannt und entsprechend behandelt. Da wird weltweite Geschwisterlichkeit auch emotional erfahren.

Ein Treffen mit tschetschenischen Frauen war wieder eine wertvolle Begegnung. Sie sind verschiedenen Alters, haben vor Jahren zum Teil als junge Witwen ihre Flucht organisiert und sind heil bei uns angekommen. Sie haben ihren Kindern geholfen, hier Heimat zu finden. Sie haben sich bemüht, Arbeit zu finden, auch wenn ihr Kopftuch dafür oft ein Hindernis darstellt. Anscheinend muten manche Firmen ihren Kundinnen und Kunden auch keine Reinigungsdienste von Kopftuchträgerinnen zu.

Nun sind die Kinder über die schwierigen Jahre hinaus, haben Schulen oder Lehrzeiten gut abgeschlossen und gründen eigene Familien. Mit großer Dankbarkeit nehmen die Frauen ihre aktuelle Lage wahr. Natürlich schwingt auch Stolz mit, wenn ein Mädchen z. B. Landessiegerin der Kochlehrlinge geworden ist und dann auch noch die Bronzemedaille im Bundesbewerb erringen konnte. Diese Frauen haben Heimat gefunden, auch wenn es leider in den meisten Fällen wenig Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung gibt. Mich erschüttert, dass manche dieser Frauen immer noch Angst haben müssen, wieder in ihr Herkunftsland zurückgeschickt zu werden. Doch auch da höre ich das Wort: Inschallah - wie Gott will.

Das innige Gebetsversprechen eines Krafttrainers aus dem Iran berührt mich bei jedem Besuch tief. Er bekennt sich zum Sufismus, der mystischen Form des Islam. Sufis werden im Iran verfolgt. Er wurde gefoltert, seinen begabten halbwüchsigen Kindern wurde ein Besuch höherer Schulen nicht erlaubt. Sie konnten flüchten, alle erhielten hier Asyl. Er lernt sehr eifrig deutsch, um bald in den Arbeitsprozess einsteigen zu können.

Er berichtete: "Ich war kein gläubiger Mensch. Das staatliche System bei uns verlangt zwar, sich zur Religion zu bekennen, aber mit einem persönlichen Glauben hat das nichts zu tun. Vor einigen Jahren durfte ich eine Gruppe von Menschen kennenlernen, die von einem Gott sprechen, der allen Menschen sein Wohlwollen zukommen lässt, der Frieden und Gerechtigkeit für alle will. Diese Menschen stellen keine Religion über eine andere, ja sie verstehen sich als Geschwister mit allen Menschen - in ihrem Sprechen und Handeln habe ich das wirksam erfahren können. Für mich öffnete sich da ein großes Fenster in meinem Inneren. Ich habe einen guten geistlichen Begleiter gefunden. Er hat mir geholfen, tiefer in den Glauben hineinzuwachsen, das ist ein wunderbarer Weg. Dafür habe ich dann auch viel riskiert. Wenn ich heute bete, fühle ich mich Gott ganz nahe. Ich bete zuerst für jene Menschen, die mir Böses angetan haben, dann für meine Familie, meine Freunde und alle Menschen und dann für mich selbst."

Ich sehe in solchem Dialog über religiöse Erfahrungen einen wertvollen Lernprozess für mich und möchte Hörerinnen und Hörer dazu ermuntern. Lassen Sie sich auf solche Gespräche ein. Ich bin für derartige Erlebnisse unendlich dankbar, weil sie mich so bereichern.

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