Ein Menschenherz, aus dem Blumen sprießen

Ö1 "Kunstgeschichten": "Caminos Precarios". Isabella Breier über ein Motiv des mexikanischen Muralismo. Es liest: Eva Mayer. Redaktion: Edith-Ulla Gasser

1. Dezember 2019, 21:40

"Sembremos sueños y cosechemos esperanzas" - "Säen wir Träume und ernten wir Hoffnungen". Diese Worte stammen aus einer Rede der mixtekischen Menschen- und Umweltrechtlerin Alberta Cariño, die 2010 von Paramilitärs ermordet wurde. Und so nennt sich - vom Wirken der linken Aktivistin inspiriert - ein vom südmexikanischen Kollektiv "Lapiztola Stencil" kreiertes Street-Art-Bild, das in verschiedensten Versionen existierte und weiter existiert. Schon 2015 war es als Wandmalerei im "centro histórico" der Stadt Oaxaca de Juárez zu sehen. Es ist ein zunächst fast naiv anmutendes Motiv: vor blauem Hintergrund sitzt ein Indígena-Mädchen in Schwarz-Weiß inmitten von bunten Blüten. In seinen Händen hält es ein Menschenherz, aus dem Blumen sprießen.

Das Künstlerkollektiv "Lapiztola Stencil" versteht sich als Teil einer zeitgenössischen "Arte Callejero": einer Straßenkunst, die sich in vielerlei Aspekten in der Tradition des mexikanischen Muralismo bewegt. Der öffentliche Raum wird als Sphäre gesellschaftspolitischer Aufklärung wahr- und ernstgenommen. Kunst darf und soll mehr wollen, als bloß ein Spielfeld für Privilegierte zu bedienen. Hier geht es, über technische Fertigkeiten, ästhetische Qualitäten und originelle Ansätze hinaus, um das möglichst klare Engagement für Gleichheit, Freiheit, Geschwisterlichkeit, um das "große Ganze". Künstlerische Tätigkeit wird im Versuch einer ständigen Auseinandersetzung mit dem gesamten sozialen Raum ausgeübt, als eine Lebensform, welche die Welt als Ganzes im Blick hat: so, wie sie ist und so, wie sie sein könnte.
Isabella Breier bettet in ihrem Text das bekannte Motiv kontrastierend in ein Galeriemilieu voller Kunstbetriebsamkeit.