Goldfolie

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Radiokolleg - Vom Wunderbaren im Alltäglichen

Was mir heilig ist (2). Gestaltung: Johannes Kaup

"Es gibt nur zwei Arten zu leben. Entweder so, als wäre nichts ein Wunder, oder so, als wäre alles ein Wunder". Das schrieb der bekannteste Wissenschafter der Neuzeit, Albert Einstein. Er hat als Physiker mit seinen Forschungen über die Struktur von Materie, Raum und Zeit sowie zum Wesen der Gravitation das zuvor geltende newtonsche Weltbild maßgeblich verändert. Dass ausgerechnet Einstein viel vom Wunderbaren hielt und der Phantasie größere Wichtigkeit zuschrieb als dem Wissen, vermag die Weltanschauung eingefleischter Materialisten heute noch zu irritieren. Denn noch immer halten nicht wenige Zeitgenossen eine rationalistisch "entzauberte" und materialistisch verrechenbare Welt, für die einzig "reale". Egal, ob man diesen Zustand "verkrümmte Selbstbezogenheit" nennt wie Augustinus, oder "Seinsvergessenheit" wie Martin Heidegger, oder mit Byung-Chul Han dem "erschöpften Selbst" zuschreibt: für das rechnende Bewusstsein verkümmert das Selbst zum Ego und die Welt zum Ressourcenkapital.

Auf diesem Hintergrund vom "Heiligen" als Ausdruck des Wunderbaren zu sprechen, erscheint auf den ersten Blick wie ein eskapistischer Anachronismus. Aber: Jeder Mensch kennt das Heilige, auch wenn er gar nicht religiös ist. Diese Überzeugung vertritt einer der international einflussreichsten Sozialphilosophen der Gegenwart, Hans Joas: "Das Heilige weht auch außerhalb der Religionen". Jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens intensive menschliche Erlebnisse, bei denen er die Erfahrung macht, durch etwas aus dem Alltag oder aus den bisherigen Grenzen der Person herausgerissen zu werden. Es sind Erfahrungen, die ihn tief in seinem Inneren berühren. Hans Joas nennt das die Erfahrungen der Selbsttranszendenz. Solche Erfahrungen haben eine enorme Motivationskraft. Das Zentrum des eigenen Denkens und Lebens öffnet sich dadurch von einer reinen Selbstfixiertheit auf ein Du hin und letztlich auf die ganze Welt.

Johannes Kaup hat bekannte und unbekannte Persönlichkeiten aufgesucht, die das Wunderbare im Alltäglichen entdeckt haben und spürt dem nach, was ihnen heilig (geworden) ist.

Service

LITERATUR:

Nathalie Knapp, Der unendliche Augenblick. Warum Zeiten der Unsicherheit so wertvoll sind, Rowohlt Verlag

Johannes Neuhauser, Harry Merl - Vater der Familientherapie, Verlag der Provinz 2019

Carola Rackete, Handeln statt Hoffen. Aufruf an die letzte generation, Droemer Verlag 2019

Erika Pluhar, Die Stimme erheben. Über Kultur, Politik und Leben, Residenz Verlag 2019

Christian Seiler, André Heller - Feuerkopf. Die Biographie, Bertelsmann Verlag

Bodo Hell, Ritus und Rita, Droschl Verlag Graz 2017

Ders., Auffahrt, Droschl verlag Graz 2019

Barbara Pachl-Eberhard, Vier minus drei. Wie ich nach dem Verlust meiner Familie zu einem neuen Leben fand, Heyne Verlag

Dies., Wunder warten gleich ums Eck, Integral Verlag 2019

Charles Eisenstein, Klima. Eine neue Perspektive, Europaverlag 2019

Ders., Die schönere Welt, die unser Herz kennt ist möglich, Scorpio Verlag 2017

Isabella Guanzini, Zärtlichkeit - Eine Philosophie der sanften Macht, C.H.Beck verlag 2019


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