Der Fotograf inszeniert hier die Gleichzeitigkeit von Gewalt und Alltag 1945. Kinderwagen und Panzer sind aber auch Symbole für die Überwindung des Kriegs und den Neubeginn.

ÖNB/OTTO CROY

Gedanken für den Tag

Monika Sommer über den brennenden Stephansdom

"Leben nach dem Krieg" - 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs
von Monika Sommer, Historikerin und Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich

Heute möchte ich ein Foto in Erinnerung rufen, das sicherlich viele von Ihnen kennen, denn es war über viele Jahrzehnte hinweg in jedem Schulbuch abgebildet, um das Kriegsende in Österreich zu illustrieren: ein Schwarz-Weiß-Foto des brennenden Stephansdoms aus den Apriltagen des Jahres 1945.

In dem Bild kulminieren verschiedene Erzählungen über das Kriegsende in Österreich - so etwa die Erfahrung des Bombenkriegs aus der Luft. Viele Jahre lang war behauptet worden, der Stephansdom wäre durch einen Bombentreffer beschädigt worden. Heute wissen wir mehr: Das Gotteshaus ist durch Funkenflug in Brand geraten. Mit dem Stephansdom verbindet sich auch das Faktum, dass sich einige couragierte Personen einsetzten für die Kapitulation und Widerstand leisteten.

Hauptmann Klinkicht hat den Befehl, den Dom "in Schutt und Asche" zu legen, verweigert. Die Beschädigungen sind unter aktiver Beteiligung aller österreichischen Bundesländer beseitigt worden. Der rasche Wiederaufbau des Stephansdoms ist schnell zum Symbol für den erfolgreichen Wiederaufbau des ganzen Landes geraten. Die genaue Auseinandersetzung mit dem Bild zeigt freilich auch, dass wir heute tatsächlich nicht von 1945 als "Stunde Null" sprechen können. Das Bild des brennenden Doms hat just jener Fotograf, nämlich Albert Hilscher aufgenommen, der 1938 die "Anschluss"-Rede am Heldenplatz festgemacht hat.

Jetzt in der Corona-Krise werden immer wieder historische Vergleiche oder Metaphern herangezogen. Viele sprechen von einem "Wiederbau" - der Blick auf das Bild des brennenden Domes vor 75 Jahren zeigt, dass unsere heutige Situation eine ganz andere ist. Österreich schaut heute zurück auf 75 Jahre in einer stabilen demokratischen Republik.

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Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Schumann/1810 - 1856
Album: ARTURO BENEDETTO MICHELANGELI SPIELT SCHUMANN
* 6./IV. Valse noble (00:02:24)
Titel: CARNAVAL, OP.9 - Scenes mignonnes sur quatre notes / 21 Stücke für Klavier
Solist/Solistin: Arturo Benedetti Michelangeli /Klavier
Länge: 02:24 min
Label: EMI CDC 7493252

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