Zwischenruf

Monika Slouk über Formalitäten

"Über das fade Salz der Erde". Von der Verstrickung in selbstgemachte Probleme erzählt Monika Slouk. Sie leitet die Kooperationsredaktion katholischer Kirchenzeitungen

Die Tagespresse übertreibt gern, zieht aktuelle Ereignisse durch den Kakao - kurz: Sie ist ein beliebtes Satire-Medium. Da las ich etwa: "Der Verfassungsgerichtshof befand heute zahlreiche Covid-19-Maßnahmen der Regierung als gesetzeswidrig. Das juristische Urteil ist eindeutig: Die Corona-Krise muss so bald wie möglich wiederholt werden."

Gerade noch hatte ich über die eine oder andere Pointe auf der Satire-Plattform geschmunzelt. Dann ging ich wieder zu ernsten Medien über und las: "Ein Priester musste aufgrund seiner ungültigen Taufe neu geweiht werden. Wie das Erzbistum Detroit mitteilte, habe Pfarrer Hood durch ein Video seiner Taufe festgestellt, dass der ihn vermeintlich taufende Diakon die unzulässige Taufformel "Wir taufen dich." verwendet hatte. Hoppla, dachte ich, habe ich mich noch einmal in die Satire der Tagespresse verirrt. Doch ein Blick auf den Seitennamen bestätigte: Ich war auf katholisch.de, dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland. Und las weiter: "Anfang August hatte die Glaubenskongregation festgestellt, dass allein die hergebrachte Taufformel ,Ich taufe dich.' erlaubt und gültig sei. Dadurch wurde Hood auf seine Situation aufmerksam.

Infolge der Entdeckung wurden dem Mann Taufe, Erstkommunion, Firmung sowie Diakonats- und Priesterweihe noch einmal gespendet. Leider wurden durch die entdeckte Videoaufzeichnung auch alle Firmungen ungültig, die der Priester je gespendet hatte, sowie alle Beichten und alle Krankensalbungen. Und das alles nur, weil der Diakon, der den späteren Pfarrer getauft hatte, falsch informiert war, und dachte, "Wir taufen dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" sei genauso gültig wie "Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes".

Ich halte zwar nicht viel von der Idee, die Taufformel zu verändern. Eine Tauffeier persönlich und sinnvoll zu gestalten, gelingt hoffentlich auch durch andere Mittel. Rückblickend aber - nach Jahrzehnten -, zu meinen, die gesamte sakramentale Lebensgestaltung sei ungültig, weil ein Diakon ein falsches Wort gesprochen habe, verstehe ich nicht. Denn das ist ein tief magisches Denken.

Wenn beispielsweise Harry Potter den Zauberspruch "Wingardium Leviosa" falsch betonen würde, könnte er damit nie eine Feder zum Schweben bringen. Soweit das Harry Potter betrifft, ist es verständlich. Aber bitte: Ist die Taufe eine Zauberformel? Und was passiert wirklich, wenn sie unscharf formuliert wurde? Hat Gott den Aufruf dann überhört, und die Startnummer verfällt? Und wenn man das Rennen doch startet und später vom Fehlstart erfährt: Wird die Medaille dann wieder aberkannt?

In meinem katholischen Glauben geht sich das nicht aus, dass der dreifaltige Gott dermaßen kleinlich ist. Wenn wir einen dreifaltigen Gott predigen, der sich vom Wort "Wir" komplett irritieren lässt, sind wir als Kirche gut im Rennen, uns komplett irrelevant zu machen. Irrelevant für das Leben der Menschen heute, für die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen, besonders der Armen und Bedrängten aller Art. Zu tun und zu bewirken gäbe es genug für das Salz der Erde. Wenn wir uns nur nicht in Formalitäten verlieren und in selbstgewählte Probleme verstricken.

Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Jan Garbarek
Album: LEGEND OF THE SEVEN DREAMS
Titel: Mirror stone I/instr.
Solist/Solistin: Jan Garbarek /Sopransaxophon
Länge: 01:15 min
Label: ECM 1381 / 8373442

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