Johanna Schwanberg

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über Weihnachten in der Kunst

"Weihnachten im Spiegel der Kunst". Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, beleuchtet anlässlich der Weihnachtsfeiertage künstlerische Arbeiten, in denen die Zeit der Weihnacht im Mittelpunkt steht

Es gibt ein Kunstwerk in der Sammlung Otto Mauer im Dom Museum Wien, das mir in den letzten Jahren besonders ans Herz gewachsen ist ? auch wenn oder gerade weil es angesichts der farbgewaltigen anderen Werke in unserer Schausammlung leicht übersehen wird.

Es stammt von der Grande Dame der österreichischen Nachkriegskunst Maria Lassnig und ist im Jahr 1970 entstanden. Zu sehen ist eine mit wenigen schwarzen Tuschstrichen gezeichnete Figur, die in der Mitte des Blattes schwebt. Der zur Seite gedrehte Kopf hat etwas Vogelartiges, die Arme entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Flügel. Am unteren Bildrand ist handschriftlich der Titel notiert: "Christmas angel for Monsignore".

Dieser Engel Maria Lassnigs ist anders als viele Engel, die wir aus der Kunstgeschichte kennen. Er hat etwas Unbeholfenes und in seiner Schlichtheit ausgesprochen Berührendes. Mich faszinieren die Sparsamkeit der eingesetzten künstlerischen Mittel und die gleichermaßen sensible wie kraftvolle Tuschelinie. Sie lässt mich die Energie der Künstlerin spüren, die damals aus Wien nach Amerika gegangen war, um abseits der männerdominierten österreichischen Kunstszene ihren eigenen Weg zu finden.

Besonders begeistert mich, dass Lassnig uns kein abgeschlossenes Engelsbild vor Augen stellt. Man hat vielmehr das Gefühl, dass die Künstlerin mit dem Stift erst nach der entsprechenden zeitgemäßen Form für ein engelartiges Wesen sucht.

Das Blatt geht mir gerade heuer zu Weihnachten nahe, weil es mit Nähe und Distanz zu tun hat. Die Künstlerin hat dieses Blatt aus New York Otto Mauer nach Wien gesandt und dem Domprediger und Kunstförderer persönlich gewidmet. Sie drückt damit ihre Zuneigung und Wertschätzung für einen Mann aus, der die österreichische und internationale Kunstszene in der Nachkriegszeit mit seiner Galerie (nächst) St. Stephan so entscheidend geprägt hat.

Eindringlich veranschaulicht "Christmas angel for Monsignore", dass Beziehungen trotz Tausender Kilometer Entfernung aufrechterhalten werden können. Nähe lässt sich unterschiedlich ausdrücken, nicht nur durch Umarmungen, die heuer zu den Feiertagen oft fehlen werden. Gefühle können vielgestaltig vermittelt werden: mit Worten, mit Bildern oder mit innigen Gedanken.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: traditionell
Bearbeiter/Bearbeiterin: Walter Baco /Arrangement
Gesamttitel: LEISE RIESELT DER SCHNEE (WALTER BACO)
Titel: Variation über Süßer die Glocken nie klingen
Ausführende: Walter Baco
Länge: 02:00 min
Label: ORF-Enterprise Musikverlag

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