Scheibenwurmer

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Medizin und Gesundheit

Früherkennung von Darmkrebs

Alarm im Darm - Krebsfrüherkennung rettet Leben

Viele Menschen haben den Termin zur Darmkrebsvorsorge auf Ihrer persönlichen To-Do-Liste, schieben diesen jedoch mit einem mulmigen Gefühl vor sich her. Zugegeben ist die Vorstellung, sich mit einem langen Schlauch in die Eingeweide fahren zu lassen etwas beunruhigend. Dabei ist die Darmspiegelung, wie sie heute praktiziert wird, weit besser als ihr Ruf: Die mittlerweile in den meisten Ordinationen praktizierte "sanfte" Koloskopie macht ihrem Namen alle Ehre. Denn die Untersuchung erfolgt in Sedoanalgesie, einer Art Dämmerschlaf, bei dem man von der Prozedur nichts mitbekommt, entspannt aufwacht und danach über sein Innenleben Bescheid weiß. Seit kurzem werden die Kosten für Untersuchung und Sedierung von allen Kassen zur Gänze übernommen.

Böser Tumor - frühe Erkennung

Vor dem Hintergrund, dass das Kolonkarzinom zu den häufigsten Krebsarten zählt, an dem jährlich rund 5.000 Österreicher erkranken, ist eine Früherkennung ein wichtiges Ziel. Denn die gute Nachricht ist: In 95 Prozent der Fälle lässt sich diese Krebsform in einem frühen Stadium diagnostizieren. Derartige Vorstufen sind meist Darmpolypen, die über Jahre hinweg gutartig bleiben. Sie können mit einer Dickdarmspiegelung rechtzeitig erkannt und gleich abgetragen werden. Da sich derartige Veränderungen in vielen Fällen jedoch unbemerkt entwickeln, ist die regelmäßige Koloskopie, auch wenn es keine Symptome gibt, eine adäquate Methode, um rechtzeitig die Entstehung bösartiger Tumoren zu verhindern. "Das Angebot der Krankenkassen, ab dem 50. Lebensjahr regelmäßig gratis eine Koloskopie in Anspruch zu nehmen, wird jedoch nur von rund 10 Prozent aller Personen in Österreich angenommen", bedauert der Koloskopie-Experte Friedrich Anton Weiser.

Häufung auch bei Unter-50-jährigen

Blutauflagerungen am Stuhl sollten immer abgeklärt und nicht als vermeintliche Hämorrhoiden abgetan werden, auch bei jüngeren Personen, so der Chirurg Weiser. Denn es mehren sich die Hinweise, dass bösartige Veränderungen im Dickdarm bei Jüngeren zunehmend häufiger auftreten. Auch die Chirurgin Fabienne Bastian beobachtet eine steigende Zahl jüngerer Patientinnen und Patienten unter 50, die aufgrund eines fortgeschrittenen Karzinoms operiert werden müssen. Experten fordern daher, die Altersgrenze der Früherkennungs-Koloskopie zu senken, um diesem Umstand Rechnung zu tragen. Vor allem bei familiärer Prädisposition sollte man zehn Jahre, bevor der Krebs bei einem Blutsverwandten aufgetreten ist, eine Darmspiegelung durchführen lassen.

Neue Therapieoptionen

Neben Operation, Strahlen- und klassischer Chemotherapie setzt man auch bei dieser Krebsart zunehmend auf die personalisierte Medizin mit monoklonalen Antikörpern, die bei bestimmten Mutationen eingesetzt werden können.
Eine Studiengruppe an der Meduni Wien beschäftigt sich auch mit der Rolle des bakteriellen Mikrobioms, der Keimbesiedelung im Darm, die auf die Entstehung von Dickdarmkrebs Einfluss hat.
Die Therapie wird dabei stets in einem Tumorboard erstellt, an dem Experten verschiedener Fachrichtungen über das weitere Vorgehen bei jedem Patienten individuell entscheiden. Immer mehr Erkrankte überleben glücklicherweise das Kolonkarzinom und ein dauerhafter künstlicher Darmausgang, der von vielen gefürchtet wird, ist nur sehr selten nötig. Und selbst bei bereits bestehenden Lebermetastasen greifen die Therapien noch gut.

Darmkrebs-Screening sinnvoll?

Auch wenn Komplikationen bei der Koloskopie sehr selten auftreten, handelt es sich um eine invasive Untersuchung, die bei zumeist gesunden Personen durchgeführt werden. Daher wird vielerorts eine kritische Nutzen-Risiko-Abwägung durchgeführt, gerade wenn es um die Frage von Massen-Screenings geht. So kam 2019 eine Forschergruppe aus Oslo zu dem Schluss, dass man nur bei individuell erhöhtem Risiko von einer derartigen Untersuchung profitiert. Die derzeitigen Vorhersagemodelle zum persönlichen Risiko sind jedoch noch nicht sehr ausgereift. Das österreichische Cochrane-Institut empfiehlt hingegen die Koloskopie uneingeschränkt als effektive Maßnahme zur Früherkennung.
In Österreich gibt es zurzeit kein populationsbezogenes Screening für Darmkrebs. Im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung wird eine Stuhluntersuchung auf Blut (FOBT) angeboten. Personen über 50 können zudem alle zehn Jahre eine Koloskopie durchführen lassen.

Anlässlich des von der Felix-Burda-Stiftung ins Leben gerufenen jährlich stattfindenden "Darmkrebsmonats März" widmet sich die aktuelle Ausgabe des Radiodoktors diesem Thema. Ronny Tekal diskutiert mit seinen Gästen über die Möglichkeiten der Früherkennung, auch zu Corona-Zeiten, und neue Therapiemöglichkeiten.

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Sendungsvorbereitung und Moderation: Dr. Ronny Tekal
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Service

Studiogast im FH Wien:

OÄ. Dr.in Fabienne Bastian
Fachärztin für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Stv. Teamleitung kolorektale Chirurgie Klinik Favoriten
Wiener Gesundheitsverbund
1100 Wien, Kundratstraße 3
Tel.: +43 1 601 91-74185
E-Mail
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Gäste am Telefon

Prim. Univ.-Prof. Dr. Leopold Öhler
Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie
Leiter der Onkologie im St. Josef Krankenhaus und dem KH Barmherzige Schwestern Wien
Tel: +43/1/599 88 2150
E-Mail
Homepage

Dr. Friedrich Anton Weiser
Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie,
Medizinischer Experte der Darmkrebsvorsorge-Hotline
Endoskopiepraxis Ärztezentrum Ost
Anton-Baumgartner-Straße 44,
A-1230 Wien
Tel: +43/1/ 813 79 34
E-Mail
Homepage

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Selbsthilfe Darmkrebs
Österreichische Krebshilfe
Felix-Burda-Stiftung
Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie zur Vorsorgekoloskopie (ÖGGH 2021)
Diagnose Darmkrebs (Vinzenzgruppe-Magazin 2017)
Information zum Darmkrebs (Minimed, 2020)
Statistik Austria zu Darmkrebs
Darmkrebs-Früherkennung & Diagnose (Gesundheitsministerium, 2017)
Corona-Pandemie: Vorsorge-Koloskopien im Jahr 2020 um 40% zurückgegangen (pflegenetz.at)

Buch-Tipps:

Gabriela Schwarz, "Diagnose Darmkrebs: Das ist jetzt wichtig. Wie geht es weiter? Alle Chancen nutzen", Schlütersche 2014

Michaela Axt-Gadermann, "Gesund mit Darm. Fitter, gelassener und jünger mit dem richtigen Mikrobiom", Südwest Verlag 2020

Sabine Dinkel, "Krebs ist, wenn man trotzdem lacht: Wie ich von heute auf morgen Krebs hatte und wieder zu neuem Lebensmut fand", Humboldt Verlag 2017

Sendereihe

Gestaltung