Virginia Woolf

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Gedanken für den Tag

Ingrid Pfeiffer über Virginia Woolf

"Nur Autobiographie ist Literatur". Die Autorin und Germanistin Ingrid Pfeiffer anlässlich des 80. Todestages von Virginia Woolf

Wie würde man sich an Virginia Woolf erinnern, wäre sie 1922, während einer gesundheitlichen Krise gestorben? Es wäre ihr ein bescheidener Ruhm als Essayistin und Autorin von drei Romanen sicher gewesen. Doch alle Werke, die sie weit über ihre Zeit hinaus berühmt gemacht haben, entstanden erst danach, einander beinahe überholend. Ein "Herstolpern hinter ihrer eigenen Stimme" sei ihr Schreiben, sagte sie selbst. Leonard Woolf erkannte gerade darin ihr Genie, sah sie "abheben" - und beide wussten um die Nähe dieser Inspiration zu dem, was so ungenau wie schillernd Wahnsinn genannt wird.

1925 erschien ihr Roman "Mrs. Dalloway", die Schilderung eines einzigen Tages im Leben einer Frau, darin das Allerpersönlichste in permanenter Reibung mit der Weltgeschichte, die kaum erträgliche Spannung zwischen äußerem und innerem Selbst. Die Tochter Clarissa Dalloway schließt sich zum Entsetzen ihrer Mutter einer religiösen Fanatikerin an und entzieht sich damit der großbürgerlichen Atmosphäre und vermeintlichen Sicherheit des Elternhauses.

Woolfs eigenes Misstrauen gegen das Christentum war nicht nur in ihrer areligiösen Erziehung begründet, die religiöse Werte durch geistige Selbstbestimmung ersetzte - worin sie jedoch prompt unter den gesellschaftlichen Normierungen der viktorianischen Gesellschaft versagte. Virginia Woolf hätte vom Christentum etwas erwartet, das jedoch die gängige Praxis nicht einlöste. Dafür müsste es von "seiner gegenwärtigen Knechtschaft" befreit werden, schrieb sie in "Drei Guineen". Dann könnte eine neue Religion geschaffen werden, "die auf dem Neuen Testament beruhen könnte".

Andererseits beschäftigte sie bereits früh die "Psychologie des Ruhms". Und als der literarische Erfolg ihr selbst zu Ruhm verholfen hatte, war sie durchaus ambivalent. Reich und gefragt zu sein und "dazuzugehören" waren auch reizvoll für sie. Für ihre Arbeit jedoch brauchte sie Ruhe und Rückzug. Es blieb schwierig, diese beiden Interessen zu vereinen.

Service

Klaus Reichert (Hg.), "Virginia Woolf. Gesammelt Werke", 19 Bände, S. Fischer Verlag
Michael Cunningham, "Die Stunden", btb Verlag
Leonard Woolf, "Mein Leben mit Virginia. Erinnerungen", Fischer Taschenbuch
Quentin Bell, "Virginia Wool. Eine Biographie", Suhrkamp Taschenbuch
Hermione Lee, "Virginia Woolf - Ein Leben", Fischer Taschenbuch
Leonard Woolf (Hg.), "A Writer's Diary by Virginia Woolf", The Hogarth Press


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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Philip Glass/geb.1937
Vorlage: Michael Cunningham /(Roman 1998, dt. "Die Stunden")
Gesamttitel: THE HOURS / Original Filmmusik
Titel: The kiss
Untertitel: MUSIC FROM THE MOTION PICTURE
Solist/Solistin: Michael Riesman /Klavier
Ausführende: Lyric Quartet
Ausführender/Ausführende: Rolf Wilson /Violine
Ausführender/Ausführende: Edmund Coxon /Violine
Ausführender/Ausführende: Nicholas Barr /Viola
Ausführender/Ausführende: David Daniels /Violoncello
Solist/Solistin: Chris Laurence /Kontrabaß
Leitung: Nick Ingman
Orchester: Filmorchester
Länge: 03:54 min
Label: Nonesuch 7559796932

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