Johanna Schwanberg

APA/ROLAND SCHLAGER

Gedanken für den Tag

Johanna Schwanberg über die Künstlergedenktage 2021

"Passion für die Kunst". Die Direktorin des Dom Museum Wien spürt bedeutenden Künstler/innen unterschiedlicher Jahrhunderte nach

Arnold Böcklin - Auf der Toteninsel

Dunkelheit und Stille. Ein Kahn gleitet in tiefgrünem Meer sanft einer einsamen Insel entgegen. Inmitten schroffer Felswände ragen riesige, fast schwarze Zypressen in den Himmel. Bei genauerem Hinsehen erkennt man in den Felswänden von Menschenhand geschaffene Grabkammern. Im Kahn sehen wir einen von einem weißen Tuch verhüllten Sarg, eine ihn bewachende stehende vermummte Gestalt und einen Ruderer.

"Das Bild muss so still sein, dass man erschrickt, wenn an die Tür geklopft wird", so der Maler Arnold Böcklin, dessen Todestag sich heuer im Jänner zum 120. Mal jährte. Böcklin malte das Motiv der Toteninsel nach der 1888 entstandenen ersten Fassung aufgrund des ungemeinen Erfolgs fünf Mal. Ab der dritten Version versah er eine der Grabkammern auf der Insel mit seinen Initialen. Wie groß die Wirkung dieses morbid-geheimnisvollen Bildes mit dem Titel "Toteninsel" war, zeigt sich an zahlreichen Nachschöpfungen sowie den musikalischen und literarischen Auseinandersetzungen mit dem Werk. Man denke nur an Sergej Rachmaninows gleichnamige Komposition aus dem Jahr 1908.

Der Tod ist etwas, was mich - wie so viele Menschen - stets beschäftigt. Nicht, dass ich so oft aktiv daran denke, aber das Wissen um meine Endlichkeit wie die meiner Liebsten prägt mein Leben untergründig. Mein Nachdenken über die Begrenztheit des Lebens ist sicher auch durch den frühen Tod meines jüngeren Bruders geprägt, der mich die ganze Wucht des Todes ungemein schmerzhaft spüren ließ. Zugleich ist für mich durch diese leidvolle Erfahrung jeder freudvolle Augenblick des Lebens besonders kostbar geworden.

Wenn ich an den Tod denke, kommt mir oft Böcklins "Toteninsel" in den Sinn. Nicht nur wegen der unbestimmten Lichtverhältnisse, sondern auch deshalb, weil Böcklin die Nichtdarstellbarkeit des Endes als ästhetische Herausforderung sah. Aber ganz anderes als auf Bildern vorhergehender Jahrhunderte zeigt er den Tod nicht als unheimlichen Knochenmann personifiziert. Er malt keine Trauernden, keinen Todeskampf, kein kriegerisches Morden, keine Auferstehung. Vielmehr hat Böcklin versucht, durch Farben und Formen mit dem unvorstellbaren letzten Weg, verbundene Emotionen atmosphärisch zu vermitteln. Und er erinnert daran, dass man bei der Beschäftigung mit dem Tod wie mit der Kunst letztlich auf sich selbst verwiesen bleibt. Auf die Frage, was das geheimnisvolle Gemälde nun wirklich zu bedeuten habe, antwortete er forsch: "Das, was Sie sehen. Ich male nur Bilder und keine Bilderrätsel."

Service

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Sergej Rachmaninoff/1873 - 1943
Titel: Die Toteninsel op.29 - Tondichtung nach einem Bild von von Arnold Böcklin (Ausschnitt)
Orchester: Philadelphia Orchestra
Leitung: Charles Dutoit
Länge: 21:05 min
Label: Decca 4362832

weiteren Inhalt einblenden