Topsy Küppers über Begegnung im Rathauspark

29. Jänner 2022, 06:56

Ein Mann ging, in Gedanken versunken, durch den Rathauspark. Er rauchte nicht, er schaute nicht nach den jungen Mädchen auf den Bänken, oder den Hunden, die auf den Rasen pinkelten - er dachte nach. Das gefiel mir. Auch wenn man alt ist, verliert man nicht den Blick für gutaussehende, gepflegte Männer. Es ist nicht meine Art fremde Männer anzusprechen, aber manchmal springt einem die Kröte aus dem Mund, und ich sagte: "Entschuldigung, darf ich Sie etwas fragen?" Er blickte mich überrascht an.
"Eh. Ach. sind sie nicht.?"
Ja, ja, er hatte mich erkannt und ich ihn.
"Ja, ja, ich mache eine Sendung, die heißt: Wer nicht genießen kann, ist ungenießbar. Würden Sie mir verraten, was Sie genießen?"
Ich dachte mir, dass diese Ansprechmasche wohl die denkbar schlechteste war, um einen Hinweis auf Genuss zu bekommen.
Aber er sah mich freundlich und etwas distanziert an, und sagte: "Aber nein, meine Antwort wird für Ihre Sendung sicherlich total ungeeignet sein." Meine Augen sagten BITTE!
Und er sagte: "Na also, den ganzen Sonntag mit meiner Familie zu verbringen. Mit den Eltern reden, mit den Kindern Boot fahren und entlang der Donau joggen - das ist für mich . entschuldigen sie bitte . (er deutete auf das Rathaus) . die Pflicht ruft."
"Oh ja, vielen Dank. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg."
Er wusste wohl, dass immer die Dame eine Hand zuerst zum Gruß ausstreckt, er deutete eine Verbeugung an, und ging.
"Herzlichen Dank!", rief ich ihm nach.
Er drehte sich lachend um, und ich lachte auch und dachte mir, dass Wien mitunter die Stadt der positiven Überraschungen ist.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler