Unsaubere Linie

23. Februar 2022, 06:56

Mit 21 zog Warhol von seiner Geburtsstadt Pittsburgh nach New York. Um seinen amerikanischen Traum zu leben. Vielleicht ist ihm die Abnabelung nicht ganz geglückt, schließlich zog drei Jahre später seine Mutter nach - und wohnte bis zu ihrem Tod 1972 bei ihrem Sohn. Nichtdestotrotz orientierte sich Warhol nicht mehr an den Heiligenbildchen, die im Hause Warhola allgegenwärtig waren, sondern an allem, was in seiner Umgebung irgendwie mit Berühmtheit ausgestattet war.

Suppendosen und Waschmittelschachteln, Superstars wie Liz Taylor und Marilyn Monroe wurden seine Motive. Die perfekte Methode für das slowakische Immigrantenkind sich diese fremde Kultur anzueignen. Für ihn war die amerikanische Kultur vor dem slowakischen Hintergrund seiner Eltern immer noch fremd, obwohl er nie eine andere Kultur gekannt hat. Es handelt sich um Versuche der Aneignung, die das Fremde zum Eigenen machen (sollen) - wobei nicht ganz klar ist, ob Warhol sich selbst in dieser Aneignung nicht auch fremd wurde.

Warhol blieb dieser Motivwahl in unbeugsamer Konsequenz treu. Niemals - mit Ausnahme seiner Filme - arbeitete er nach der Natur; seine Vorbilder waren bereits von Menschen erstellte Vorlagen. Selbst die Fotografien, die er mittels Siebdruck auf Leinwände übertrug, stammten nicht von ihm, sondern von anderen. Eigentlich reiche ihm Pauspapier, meinte er einmal, um in "schöner Monotonie" seiner Bilderserien zu erstellen. Aber Warhol ist auch ein Meister des Understatements. Denn er wiederholt nicht einfach bloß, sondern baut in die Wiederholung feine Abwandlungen ein. Die von ihm verwendete blotted line, die unsaubere Linie, stört den Repetitionseffekt; und die darüber gelegten Farbflächen arbeiten oftmals gegen die zeichnerische Vorgabe. Damit entstehen Kopier-Bilder, die ohne Originalvorlage auskommen - und damit die banale Wiederholung unterlaufen.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler