Ein Porträt von Pier Paolo Pasolini hängt in einer Ausstellung

AP/MARKUS SCHREIBER

Gedanken für den Tag

"Trilogie des Lebens"

"Der unbändige Ketzer - Zum 100. Geburtstag von Pier Paolo Pasolini" von Otto Friedrich, Religionsjournalist und Filmkritiker bei der Wochenzeitung "Die Furche"

Pier Paolo Pasolini mag man auf den ersten Blick nicht mit dem Fasching verbinden. Nachdem der Junglehrer, Literat und Kommunist wegen seiner Homosexualität 1949 Friaul verlassen hatte und mit seiner Mutter nach Rom gezogen war, interessierte er sich fürs Subproletariat in den Borgate, den Vorstädten Roms. Diese Menschen beschrieb er in Romanen sowie ab 1961 in seinen Filmen.
Später setzte er sich anhand literarischer Vorlagen mit praller Sinnlichkeit aus-einander. Diese als "Trilogie des Lebens" bezeichneten Filme sind dann schon karnevalesk, und zwar in dem Sinn, dass sie allerlei erotisch-närrischem Treiben eine Bühne bieten - Gesellschaftskritik scheint hier mehr subkutan vorhanden zugunsten einer deftigen Sinnenfreude, die wohl im Leben Pasolinis ihre Entsprechung fand, aber in seinem Ouvre nicht an vorderer Stelle sichtbar war.
Der erste dieser Filme, "Decamerone", schöpft aus der Novellensammlung des Renaissance-Dichters Giovanni Boccacio, der zweite kam hierzulande als "Pasolinis tolldreiste Geschichten" ins Kino und ist die Verfilmung der englischen "Canterbury Tales" aus dem 14. Jahrhundert. Als letztes wandte sich Pasolini in "Erotische Geschichten aus 1001 Nacht" dem Orient zu.
Pasolini redet in diesen Filmen einer unbefangenen Körperlichkeit das Wort, was in der damaligen Ära der Sexfilme durchaus als künstlerischer Kontrapunkt verstanden werden konnte. Später äußerte sich Pasolini selber kritisch zur "Trilogie des Lebens", ein Zweifler aus Prinzip.
In seinem Gedicht "Späte Einsichten" schreibt er, er wisse,

. dass auch der Humor nur Teil eines unaufhebbaren Stillstands ist;
dass ich nichts andres tue, als das Neue zum Alten zu erwecken;
dass ich immer noch nicht die Absicht habe anzuerkennen, wer ich bin .

Service

Buch:
Aus: Analisi tardiva/Späte Einsichten. In: Pier Paolo Pasolini: nach meinem Tod zu veröffentlichen. Späte Gedichte. Aus dem Italienischen von Theresia Prammer. Suhrkamp. Berlin 2021, ( S. 509)

Kostenfreie Podcasts:
Gedanken für den Tag - XML
Gedanken für den Tag - iTunes

Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Stefano Battaglia geb.1965
Vorlage: Pier Paolo Pasolini 1922 - 1975
Album: RE: PASOLINI
Titel: Toto e Ninetto/instr.
Solist/Solistin: Stefano Battaglia
Ausführender/Ausführende: Mirco Mariottini
Ausführender/Ausführende: Aya Shimura
Ausführender/Ausführende: Salvatore Maiore
Ausführender/Ausführende: Roberto Dani
Ausführender/Ausführende: Michael Gassmann
Länge: 04:47 min
Label: ECM Records 1998/99 / 1716738 (2 CD)

weiteren Inhalt einblenden