Stacheldraht und Raufreif.

DPA/KARL-JOSEF HILDENBRAND

Punkt eins

Izginjanje - und das Ende des Schweigens

Achtzig Jahre nach der Deportation Kärntner Sloweninnen und Slowenen im April 1942.
Gäste: Dr. Reginald Vospernik, Germanist und Slawist, ehem. Direktor des Slowenischen Gymnasiums; Andrina Mracnikar, Filmregisseurin; Simon Urban, Vorsitzender des Klubs Slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien/ Klub slovenskih studentk in studentov na Dunaju.
Moderation: Johann Kneihs.
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Mehr als tausend Menschen wurden im April vor achtzig Jahren in Kärnten gefangengenommen - ihr "Vergehen": die slowenische Muttersprache und die Zugehörigkeit zur slowenischen Volksgruppe. 227 Familien mit insgesamt 1.075 Angehörigen wurden beginnend am 14. und 15. April von ihren Bauernhöfen geholt, die meisten in Zwangslager gebracht; viele von ihnen starben.

Auch nach ihrer Rückkehr war der Leidensweg der Vertriebenen nicht vorüber. Ihre Höfe waren geplündert und zerstört, die Ausgrenzung hielt an. Wer in der Öffentlichkeit Slowenisch sprach, musste mit Beschimpfungen rechnen. Wer für die Rechte der Minderheit eintrat, wurde oft als "Partisan" verunglimpft. Einen Höhepunkt erreichte die Diskriminierung mit dem sogenannten Ortstafelsturm 1972, als zweisprachige Ortstafeln gewaltsam entfernt wurden.

Unter anderem davon handelt der Film "Verschwinden/Izginjanje", der bei der diesjährigen Diagonale in Graz mit dem Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Die Regisseurin Andrina Mracnikar erzählt darin auch von den Erfahrungen ihrer eigenen Familie - und vom kontinuierlichen Rückgang der slowenischen Sprache, wenn etwa Jugendliche davon erzählen, dass zwar die Eltern noch mit den Großeltern Slowenisch sprechen konnten, sie selbst aber die Älteren nicht mehr verstehen.

Achtzig Jahre nach der Deportation, fünfzig Jahre nach der Zerstörung der Ortstafeln zeichnet sich eine Wende ab: Zum ersten Mal hat ein Kärntner Landeshauptmann, in Person von Peter Kaiser, um Entschuldigung für die Gräueltaten gebeten - auch in slowenischer Sprache. Das Land Kärnten hat den Film "Erinnern gegen das Vergessen" in Auftrag gegeben, in dem Zeitzeug:innen zu Wort kommen und der im Schulunterricht eingesetzt werden soll.

Wie war es möglich, dass die Ereignisse vor achtzig Jahren so lange verdrängt wurden? Fällt das Ende des offiziellen Schweigens zusammen mit dem Verstummen der slowenischen Sprache im Alltag - während das Erlernen des Slowenischen als Schlüssel zum Alpen-Adria-Raum und zu Osteuropa hoch gefragt ist, etwa im viersprachigen Unterricht im Slowenischen Gymnasium in Klagenfurt? Welcher Zukunft geht die slowenische Volksgruppe in Kärnten gegenüber?

Angehörige dreier Generationen, mit drei unterschiedlichen Perspektiven, sprechen darüber mit Johann Kneihs: der langjährige Direktor des Slowenischen Gymnasiums Dr. Reginald Vospernik, als Kind Zeuge der Verschleppungen, die Filmregisseurin Andrina Mracnikar und Simon Urban, zur Zeit Vorsitzender des Klubs Slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien / Klub slovenskih studentk in studentov na Dunaju.

Die Redaktion freut sich über Ihre Beiträge zum Gespräch, telefonisch während der Sendung unter der Nummer 0800 22 69 79 oder per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Reginald Vospernik: Zweimal aus der Heimat vertrieben. Die Kärntner Slowenen zwischen 1919 und 1945 - eine Familiensaga. Verlag Kitab 2011

Evelyn Steinthaler: Das Mädchen und der Umhang - Roman über das Leben von Katja Sturm-Schnabl und das Schicksal der kärntner-slowenischen Volksgruppe im Zweiten Weltkrieg. Bahoe Books 2022

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