Matthias Geist

APA/HERBERT NEUBAUER

Zwischenruf

Im Zug Richtung Weihnachten

Matthias Geist, evangelisch-lutherischer Superintendent in Wien, über die stressige Adventzeit und die weihnachtliche Erlösung

Kurz vor Weihnachten in einem Zug aus Kärnten, Richtung Wien. Zwei Väter spielen mit ihren Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren an den beiden Tischen vor mir. Sie unterhalten sich angeregt. Hören zu. Reden über das Spielen und das Leben.

Mit jeder Station wird der Railjet voller. Bis die Spiele abgebrochen werden müssen. Bis die Unterhaltungen versiegen, weil sich keiner mehr konzentrieren kann. Denn alle im Waggon beginnen, sich über besetzte und reservierte Sitzplätze zu unterhalten und die Koffer zu verstauen. Die Ruhe ist weg, der Platz am Tisch reicht nicht mehr. Gelassenes Gespräch und Spiel weichen einem räumlichen und gemeinschaftlichen Druck.

Diese Zugfahrt ist für mich wie das Zugehen auf Weihnachten. Immer dichter wird es, aber nicht gemütlicher, sondern gestresster. Alles wird voller und nimmt mehr Raum ein. Auch die eigenen und die fremden Erwartungen. Die gehetzten Dinge, die terminlich noch vor dem Fest oder vor Silvester zu erledigen sind. Alle Erwartung von uns Menschen in einen Zeitpunkt gesetzt, ein Datum, zu dem alles perfekt sein soll. Kann das denn gut gehen? Oder überfrachten wir uns mit den Anforderungen an uns selbst und aneinander?

"Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten." (Lukas 2,18) Ich empfehle da einen Blick in die Bibel: Was die Hirten am Feld Stunden nach der Geburt Jesu auf ihren Lippen haben, ist ein Lob, ein Ausdruck von Dankbarkeit. Es ist tatsächliche Erleichterung. Nicht nur Maria und Josef haben eine beschwerliche Zeit hinter sich. Auch die Hirten sind harte Arbeit gewöhnt. Sie machen sich aber auf und erfahren eine Entlastung fürs Leben. Alles gewinnt neuen Sinn. Sie sind ganz einfache Menschen und werden doch Zeugen eines wunderbaren Geschehens: Gott ist als Mensch in die Welt gekommen.

Auch wir haben eine aufgeladene Phase des Advent und den Heiligen Abend hinter uns. Und die Fragen folgen: War's das? Was jetzt? Das Ziel aller Weihnacht ist doch eine Bereicherung, ein befreiendes Moment. Inmitten der Überforderung, inmitten des oft aufgesetzten Dranges nach Perfektion. In der Zeit des Advent fühle ich mich durch die Dezembertage hin auf den gestrigen Heiligen Abend durchgeschleust, die Weichen sind in Richtung Weihnachten gestellt. Es herrscht Stress und alle sind froh, wenn der Zugendbahnhof namens Heiliger Abend erreicht ist. Wenn nichts Gröberes passiert ist und das dichte Gedränge aufhört.

Das heutige Christfest ist für mich wie das Aussteigen aus einem übervollen Zug, in dem ich mich letztlich gedrängt, ja sogar getrieben fühle. Wie viele Male habe ich in den vergangenen Tagen tatsächlich aus vollem Herzen ein befreiendes "Frohe Weihnachten" gewünscht? Und wie viele Male nur nebenbei, weil es sich halt gehört! Wie viel Substanz haben mich selber die aufgeregten, erwartungsvollen Zeiten gekostet!

In all dem tun mir die Worte gut, die die Hirten weitergetragen haben. Dass die Mühe und aller Druck abfallen und mit einem Mal alles einfach wird. Die Hirten mit ihrem harten Job beteiligen sich an meinem Leben und rufen zu mir: Entspann Dich endlich. Für Dich ist gesorgt! Sie ermutigen mich heute, selber loszulassen. Die Gunst der Stunde spricht für mich und trägt mich hinein in das Erlebnis einer ruhigen, einer erlösenden Weihnacht.

Sendereihe

Gestaltung

Übersicht

Playlist

Komponist/Komponistin: Karl Edelmann
Album: BAIRISCHE WEIHNACHTSMUSIK
Titel: Auf ihr Hirten vom Schlaf = RM =
bayerische / bayrische
Ausführende: Saitenmusik Karl Edelmann:
Ausführende: Schorsch Rupp /Zither/Maultrommel
Ausführende: Florian Pedarnig /Harfe
Ausführende: Katharina Edelmann /Hackbrett/Gitarre
Ausführende: Karl Edelmann /Kontrabaß/Gitarre
Länge: 02:52 min
Label: Bogner Records CD 15143

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