Zwischenruf

Wandern durch Monokulturen

Magdalena Holztrattner, katholische Theologin und Geschäftsführerin des Frauen- und Sozialreferates von Kolping Österreich, erzählt von ihrer 14-tägigen Wanderung durch Sachsen

14 Tage hatte ich Zeit, um zu wandern. Quer durch das Bundesland Sachsen sollte es gehen. Ich hatte kein Ziel, ich hatte einfach nur Zeit. Vor den Wölfen sollte ich mich hüten, riet mir eine deutsche Freundin, und vor den Rechtsextremen.

Wölfe habe ich keine gesehen. Beim eindeutigen Spruch auf dem T-Shirt eines Mannes in Bautzen wurde mir jedoch etwas mulmig. Die Spuren der DDR-Geschichte, die Enttäuschungen nach der deutschen Wiedervereinigung begleiteten mich am Weg. Ich durchquerte Dörfer ohne Schulen, ohne eine Kirche, weder Dorfplatz noch Wirtshaus markierten einen sozialen Knotenpunkt.

Ich besuchte in Bautzen ein ehemaliges Geheimgefängnis für politische Gefangene. Dort wurden sie gequält- egal ob von der deutschen Stasi, dem sowjetischen KGB oder der nationalsozialistischen Gestapo. Die Foltermethoden waren bei allen Ideologien die gleichen. Was zählte, war nur die Monokultur ihrer jeweiligen Ideologie.

Mit flottem Schritt und kleinem Rucksack wanderte ich immer wieder durch weite Felder. Ich sah große Rinderställe, die auf mich heruntergekommen wirkten. Ich erfuhr, dass die Kommunisten über die Kolchosenwirtschaft die kleinstrukturierte Landwirtschaft aufgelöst hatten. Und dass nach der Wende 1989 die meisten Bauern diese Strukturen beibehalten hatten, da es sich wirtschaftlich nicht gerechnet hätte, wieder auf kleinere Betriebe zurückzubauen.

Und ich wanderte viele Stunden durch Felder. Felder, in denen über weite, weite Strecken immer die gleiche Pflanzensorte wuchs: Weizen wurde von Mais abgelöst, Soja stand links des Weges, während rechts Roggen im leichten Wind wogte. Ich war beseelt, in einer Landschaft zu wandern, die so viel Weite und Freiheit versprach. Bis ich genauer hinschaute. Bis ich stehen blieb und schaute, was denn zwischen den Halmen der monokulturell angebauten Pflanzenarten so wuchs. Und ich sah: nichts. Da war nichts zwischen den Maisstängeln, den Weizenhalmen und den Sojapflanzen. Nichts - keine Blumen, keine Kräuter, kein krabbelndes Getier. Und mir wurde schlagartig bewusst: Das hier ist keine freie Landschaft. Das hier ist brutale Monokultur, die gespritzt wird mit allem, was erlaubt ist, um alle anderen Pflanzen zu töten. Pestizide, Herbizide, gezielte Düngemittel. Als ich mir das so deutlich vor Augen führte, wurde mir mulmig, sehr mulmig. Weil alles miteinander verbunden ist, wie auch Papst Franziskus immer wieder betont. Artensterben der Wildpflanzen, das Sterben von Bienen, von Insekten und in der Folge von Singvögeln und anderem Gefieder - mir wurden die Zusammenhänge plötzlich so klar, dass mir schlecht wurde.

14 Tage war ich weitwandernd unterwegs. Ich hatte kein Ziel. Aber ich hatte viele Erkenntnisse. Seither esse ich noch viel öfter vegetarisch und kaufe biologische Lebensmittel. Ich verstehe Menschen noch viel besser, die auch mit ungewöhnlichen Mitteln gegen die Zerstörung unserer Mitwelt protestieren. Du bist, was du isst. Auch die Chemie, die Pestizide und Herbizide, das Artensterben und das Schweigen der Singvögel. Denn alles ist miteinander verbunden.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Franz Schubert
Album: Hans Leygraf: 3 Schubert Recitals - CD2
Titel: Menuett für Klavier in cis-moll DV 600
Solist/Solistin: Hans Leygraf /Klavier
Länge: 03:18 min
Label: Caprice CAP21444 (3 CD)

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