Stimmen hören

Gesegnet mit stimmlicher Unverwelklichkeit

Dem Inbegriff tenoraler Tugenden Alfredo Kraus zum 25. Todestag.

Wer möchte nicht lange leben? Auch Gesangskarrieren sterben, metaphorisch gesprochen, oft einen zu frühen Tod, der mit einem gesünderen Leben zu verhindern gewesen wäre. Wie aber lässt man Stimmbänder gesund altern? Alfredo Kaus hatte das Rezept. So sah es aus: Noch rigoroser als sein, auch Timbre-mäßig, Vorgänger in der Gesangshistorie, Tito Schipa, wahrte der 1927 Geborene dauerhaft die Grenzen des ihm in die Stimmbänder gelegten, ihm auch charakterlich gemäßen lyrischen Tenorfachs mit Ausflügen ins mäßig Ziselierte, befasste sich also immer von neuem mit dem "Rigoletto"-Herzog, mit Alfredo in "La traviata", mit Edgardo in "Lucia di Lammermoor", mit Elvino in "La sonnambula". Ein "tenore di grazia" nach dem Lehrbuch, "hatte" Kraus obendrein das hohe D in den "Puritanern" und die Kanonade hoher C's in der "Regimentstochter". Kraus' charakteristisch nasaler Stimmklang bewährte sich auch in Werken der französischen Romantik wie Gounods "Faust" und "Roméo et Juliette", wie Massenets "Manon" und "Werther", ergänzt durch Rares bis hin zu Aubers "Stummer von Portici". Hoffmann in "Hoffmanns Erzählungen" galt Kraus als Grenzpartie, einen Cavardossi in "Tosca" rührte er niemals an. Dafür hielt er Mozart-Partien bereit und machte sich, stets mit der ihm eigenen Noblesse und stilistischen Untadeligkeit, für Zarzuelas stark. Bis kurz vor seinem Tod vor 25 Jahren war Alfredo Kraus auf diese Weise aktiv, ein schlanker, drahtiger Fels in der Brandung der Umwälzungen rund um ihn, und auch in seinem Bühnen- und Podiumsagieren der Inbegriff grandseigneuraler Eleganz.

Sendereihe

Gestaltung

  • Chris Tina Tengel