"Bassgeflüster" im RadioKulturhaus

Katja Lehmann, Regisseurin

Seit Kindheit hat sie eine Beziehung zum Theater: Katja Lehmann, Jahrgang 1980, Regie-Absolventin des Wiener Reinhardt Seminars. Ihre nächste Premiere hat sie im Wiener "TAG"-Theater. Am 13. September ist die musikalische Lesung "Bassgeflüster", die sie gestaltet hat, im RadioKulturhaus zu sehen.

"Dank meiner Eltern hatte ich das große Glück, schon in ganz jungen Jahren mit dem Theater in Berührung zu kommen. Sie waren treue Abonnenten in Gießen, Frankfurt und Darmstadt. Und wir Kinder sahen auch regelmäßig die Kindertheater-Aufführungen.

Mit acht habe ich erstmals Shakespeares 'Hamlet' in Gießen gesehen - und war von der Inszenierung unglaublich schockiert. Gleichzeitig löste diese Erfahrung die Überlegung aus, dass man dieses Werk hätte anders inszenieren können.

Ich wusste bald, dass ich mich im Theater-Bereich bewegen wollte. Allerdings war ich mit 18 noch nicht dazu bereit, Regie zu führen. Da mein Onkel damals Dramaturg am Nationaltheater Mannheim und später in Bremen war, hatte ich bald die Möglichkeit, Einblick in die Theater-Arbeit zu erhalten. Aber zunächst habe ich Geschichte und Germanistik studiert", erzählt Katja Lehmann, gebürtige Hessin aus Lich, Jahrgang 1980, die seit 2004 am Wiener Max Reinhardt Seminar Regie studierte und 2008 abgeschlossen hat.

Warum sie zunächst mit einem anderen Studium begann, das sie 2003 erfolgreich mit dem Magister abschloss und für ihre Diplomarbeit sogar mit dem Maximilian-Bickhoff-Preis für außergewöhnliche Studienleistungen ausgezeichnet wurde, erklärt die Nachwuchs-Regisseurin so:

"Ich wollte ja etwas zu erzählen haben, zuerst Erfahrungen sammeln und die Literatur kennen lernen. Und dieses Studium hat mir auch sehr viel Freude gemacht. Mit der idealen Betreuung an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, die sehr klein ist und eine ausgezeichnete Bibliothek hat, konnte ich das Studium in zügigem Tempo beenden."

Der richtige Platz auf der anderen Seite

Zwar hat Lehmann auch die Schauspielerei interessiert, aber ihren Platz am Theater sah sie woanders: "Ich habe mich immer auf der anderen Seite wohler gefühlt. Es hat mir mehr Spaß gemacht, Geschichten zu erzählen, ohne selbst auf der Bühne sein zu müssen", erläutert Lehmann ihre Entscheidung für die Regie. Nicht zuletzt trug zu ihrer Berufs-Entscheidung eine Hospitanz unter Schauspiel-Chef Gerhard Willert am Landestheater Linz bei Racines "Phädra" im Jahr 2000 bei:

"Die Arbeit Willerts hat mich sehr beeindruckt - und an alle Theaterprozesse herangeführt. Das war kurz nach meiner Zwischenprüfung im Studium - und danach habe ich mich endgültig für das Theater entschieden", berichtet Lehmann, die dafür eine Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte aufgab.

Geschichten mit profunder Kenntnis erzählen

"Die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen und mit verschiedenen Mitteln zu arbeiten, reizt mich am Theater. Hier können sich bildende Kunst, Musik und Film herrlich ergänzen. Und im Herzen dieses Geschehens steht immer der Schauspieler, der eine Geschichte erst lebendig macht", präzisiert Lehmann.

"Und auch die Möglichkeit, die man beim Film zum Beispiel so nicht hat, sechs Wochen oder länger intensiv proben zu können. Ich recherchiere sehr gerne und suche nach tieferen Zusammenhängen - das ist die wissenschaftliche Seite in mir."

Mit "Bassgeflüster" im RadioKulturhaus

Am Montag, 13. September 2010, ist die musikalische Lesung "Bassgeflüster", die Katja Lehmann mit den Ö1 Talenten Emily Cox und Christoph Wimmer (Kontrabass) gestaltet hat, im Wiener ORF-RadioKulturhaus zu sehen.

Kubin-Premiere im Wiener "TAG"

Am Mittwoch, 6. Oktober 2010, hat Katja Lehmanns Inszenierung von Alfred Kubins "Die andere Seite" am Wiener Theater "TAG" Premiere.

"Werther" in Leipzig

Katja Lehmann letzte Arbeit, Goethes "Werther" in einer eigenen Fassung, hatte im Februar 2010 im "Theater der jungen Welt" in Leipzig Premiere.

Ebenfalls an diesem Theater inszenierte sie Feridun Zaimoglus und Günter Senkels "Schwarze Jungfrauen".

Horvaths "Don Juan", Film für Holocaust-Museum

Davor arbeitete die begeisterte Jungregisseurin an zwei Projekten: einer Inszenierung von Horvaths "Don Juan kommt aus dem Krieg", einem vom EU-"Leader plus" finanzierten Projekt, bei dem sie mit einem Profi-Team, aber mit jugendlichen Laien-Darstellern im Alter zwischen 13 und 18 Jahren, eine Inszenierung erarbeitete. Premiere hatte das Horvath-Stück am 20. September 2008 in Töging am Inn.

Das zweite Projekt war ein Kurzfilm, eine Auftragsarbeit einer deutschen Stiftung, für das Holocaust-Denkmal in Berlin, der sich mit verschiedenen Inszenierungsformen auseinandersetzt. "Damit soll veranschaulicht werden, dass Fakten nicht Fakten sind, sondern auf eine bestimmte Weise präsentiert werden. Es soll die Besucher darauf hinweisen, dass sie durch die Art, wie man Zeichen setzt, gelenkt werden, und soll ihre multiperspektivischen Standpunkte schulen. In diesem Film zeigen wir fünf unterschiedliche Inszenierungen eines Raumes".

"Gefährliche Liebschaften" als Diplom-Inszenierung

Ihr Regie-Studium hat Katja Lehmann mit Christopher Hamptons "Gefährlichen Liebschaften" abgeschlossen, die im Jänner 2008 auf der Neuen Studiobühne des Reinhardt Seminars Premiere hatten.

"Ich hatte eine wunderbare Besetzung für das Stück, es war hervorragende Zusammenarbeit", so Lehmann über ihre Diplom-Inszenierung.

Psychologische Realisten und Klassiker

Besonderes Interesse hat Lehmann an den Werken der psychologischen Realisten wie Horvath, Schnitzler sowie Karl Kraus oder Tschechow, ebenso an jenen der Amerikaner wie Tennessee Williams und Sam Shepard. "Und natürlich die Klassiker - diese Modernität bei ihnen! Einer der größten ist Schiller für mich", so Katja Lehmann.

Probleme hat sie mit manchen zeitgenössischen Stücken: "Es gibt natürlich auch Juwelen darunter. Aber oft findet man nur Oberfläche und wenig Substanz. Und nur wenige heutige Autoren haben eine Sprachbeherrschung wie Thomas Bernhard."

Theater-Praxis seit 1997

Praktische Theater-Erfahrungen konnte die Jungregisseurin bereits seit etwa zehn Jahren sammeln: so unter anderem im Rahmen der Schauspielgruppe der St. Lioba Schule Bad Nauheim, bei der sie Schnitzlers "Der grüne Kakadu" inszenierte und auch mitspielte, bei Brechts "Furcht und Elend des Dritten Reiches", wo sie als Regie-Assistentin tätig war und ebenfalls spielte, als Regie-Assistentin bei der Freien Gruppe "Zettel-Theater" (Mainz/Frankfurt/Main) bei Shakespeares "Lustigen Weibern von Windsor" (1999), bei einer Regie-Hospitanz am Landestheater Linz für Racines "Phädra" unter Gerhard Willert (2000), beim "Fritz-Haarmann-Protokoll" an der Universität Eichstätt (2001) sowie Impro-Theater und Theatersport unter Leitung von Michael Klebl (2002) sowie bei Schnitzlers "Weitem Land", das Lehmann 2003 an der Universität Eichstätt inszenierte.

Am Reinhardt-Seminar waren von ihr bisher Szenen-Studien von Büchners "Woyzeck", Schnitzlers "Anatol", Horvaths "Geschichten aus dem Wiener Wald", Ibsens "Hedda Gabler" sowie eine Aninszenierung von R. W. Fassbinders "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" sowie Sheppards "Liebestoll" zu sehen.

Festwochen-Produktion, Spielfilm und Roman

Wie lauten die Zukunftswünsche der ambitionierten Regisseurin?

"Ich möchte einmal eine Inszenierung für die Wiener Festwochen machen, einen Spielfilm produzieren und einen ordentlichen Roman schreiben - dann wäre ich ganz zufrieden", so die prompte Antwort von Katja Lehmann.