Triumph als Zelmira

Kate Aldrich

Noch eine Besetzungsvariante für die zwischen Sopran und Mezzosopran angesiedelten "Colbran-Rollen" in Rossinis neapolitanischen Seria-Opern: nach Joyce DiDonato im Plattenstudio tritt auch Kate Aldrich an - und triumphiert in Pesaro als Zelmira.

Als 1822 Gioachino Rossini Wien taumeln und fiebern ließ, hatte er die Oper im Gepäck, die 2009 beim Rossini Opera Festival Pesaro mit dem regierenden König unter den Rossini-Tenören, Juan Diego Florez, am Programm stand: "Zelmira". "Zelmira" ist eine der neapolitanischen, fürs Teatro San Carlo geschriebenen Rossini-Opern und trägt genau deren typische Physiognomie: eine opera seria, lang, mit schwierigsten Gesangspartien, darunter jeweils drei Tenorpartien, und geschrieben für Isabella Colbran in der Titelrolle.

Die Colbran, Rossinis Frau, hatte eine Stimme, die nicht in unsere heutigen Denk-Kategorien passt: mehr Mezzosopran, aber doch mit Sopran-Möglichkeiten in der Höhe. Es wird gemutmaßt: War sie in den 1820er Jahren über ihren Zenit hinaus, zwar eine Persönlichkeit, aber mit Abnützungserscheinungen in der Stimme? Hat ihr Gioachino Rossini deshalb die höchsten Soprantöne erspart? Wie auch immer, dieser "soprano sfogato" liegt zwischen den Fächern, und es braucht für die Colbran-Rollen außerdem eine Sängerin, die der Dramatik der teils sehr heroischen Figuren nichts schuldig bleibt.

Von Hosenrollen zum Belcanto

Für Besetzungsbüros ist derlei immer eine Herausforderung - Cecilia Bartoli, die dafür prädestiniert wäre, verweigert sich ja konsequent den Colbran-Rollen. Zwar nicht riskant, aber doch überraschend kam die Ankündigung, dass Kate Aldrich bei ihrem Pesaro-Debüt die Zelmira sein würde: War sie nicht, in Los Angeles vor ein paar Jahren, neben Placido Domingos Idomeneo der Idamante in der Mozart-Oper, und auch im Spiel als junger Mann absolut "echt"? Wurde nicht über ihren Erfolg als Sextus im "Titus" berichtet? Debütierte sie nicht bei den Salzburger Festspielen ebenfalls in einer Hosenrolle, als Ascanio im "Benvenuto Cellini" von Hector Berlioz?

Das ja, aber die amerikanische Mezzosopranistin mit einem Repertoire zwischen Carmen und Monteverdis Poppea geht stimmlich in die Fredrica-von-Stade-Richtung: Kein "brustiger" Mezzo à la Marilyn Horne, sondern eine "luftige", sopranige Stimme. (Auch Fredrica von Stades Rossini-Repertoire reichte von "La cenerentola" bis "La donna del lago".) Und während sich Kate Aldrichs Fachkollegin Joyce DiDonato einstweilen nur auf CD für das eigenwillige "Colbran-Fach" stark macht, überzeugte Kate Aldrich in Pesaro in der Live-Aufführung, womit ihr ab sofort ein großes Repertoire offen steht.

Europa-Debüt in Zeffirellis "Aida" in Busseto

Zum ersten Mal in Europa aufgefallen ist Kate Aldrich im Verdi-Jahr 2001, als Regisseur Franco Zeffirelli die "Aida" auf die Mini-Bühne des Theaters in Busseto stellte und Kate Aldrich, Gesangsunarten-frei, die Amneris war. Als bald darauf Roberto Alagna, in Pavarotti-Art, ein "... and friends"-Konzert veranstaltete, duettierte Kate Aldrich mit ihm in Donizettis "Favorita".

Und 2008 überraschte sie in Bologna als Adalgisa an der Seite der sehr "dramatisch" aufgefassten Norma von Daniela Dessì, indem sie standhielt, aber auch für berührend intime Momente sorgte. Von dort nach Pesaro, zur "mit glitzernder Koloratur und großer Musikalität" (Telegraph) gesungenen "Zelmira", war der Weg dann nicht mehr weit.

Erfolgspartie Carmen

Die Rolle, mit der die attraktive Sängerin mittlerweile durch die Welt reist, ist Bizets "Carmen". Für die jüngste Mailänder Premiere, die Scala-Saisoneröffnung 2009/10, war sie im Gespräch; Chicago, San Francisco, die New Yorker MET, die Deutsche Oper Berlin und die Bayerische Staatsoper waren oder sind tatsächlich Stationen von Kate Aldrichs "Carmen"-Eroberungstour.

An Placido Domingos Washington National Opera war sie daneben der Orsini in Donizettis "Lucrezia Borgia", in Marseille der Octavian im "Rosenkavalier" - ihr Rollendebüt. Den Jänner/Februar 2010 verbringt Kate Aldrich in Berlin, wo an der Deutschen Oper in der Regie von Philipp Stölzl eine "Rienzi"-Premiere ansteht, mit ihr als Adriano. Für die Dido in einer Neuproduktion der "Troyens" von Berlioz kehrt sie kommende Spielzeit an dieses Haus zurück. Und auch in Pesaro beim Rossini Opera Festival 2010 gibt es ein Wiedersehen mit Kate Aldrich: in einer neuen "Cenerentola", die von Luca Ronconi inszeniert, von Yves Abel dirigiert werden wird. Am Weg dorthin stehen an der Scala Auftritte als Rosina im "Barbiere di Siviglia" am Programm, und davor in Palermo Abende mit Donizettis "Maria Stuarda", bei denen sie die Elisabetta verkörpern wird, Mary Stuarts Gegenspielerin Elizabeth I.

Eine "Zelmira" für Connaisseure

Übrigens schafft man es in Pesaro, bei derlei "großen" Premieren wie der vorjährigen "Zelmira" mit Kate Aldrich auch immer noch, interessante Stück-Fassungen in historisch-kritischen Editionen zu bieten und damit den Conaisseuren neue Details: Nicht in der neapolitanischen Uraufführungsversion von 1822 wurde Gioachino Rossinis "Zelmira" diesmal gespielt, sondern in der Fassung, die 1826 für Paris entstanden ist - und die Zelmira-Vertraute Emma bekam eine Arie zu singen, die Rossini für die Wiener Erstaufführung nachkomponiert hat: Rossinis Eroberungstour über den ganzen Kontinent, in die Musik eingeschrieben.

Hör-Tipp
Gioacchino Rossini: "Zelmira", Samstag, 2. Jänner 2010, 19:30 Uhr

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