WAZ-Interesse nach Dichand-Tod

"Krone" bald ganz in deutscher Hand?

Wohin steuert die "Kronen Zeitung" nach dem Tod Hans Dichands? Fakt ist, dass Dichands Erben Macht an den Partner, den deutschen Medienkonzern WAZ mit Sitz in Essen, abgeben müssen. WAZ zeigt sich jedenfalls interessiert, die Dichand-Anteile zu erwerben. Ans Gegenteil, einen Ausstieg, denkt man nicht mehr.

Interesse an ganzer "Krone"

WAZ-Chef Bodo Hombach bestätigt im Ö1-Interview das grundsätzliche Interesse, die "Kronen Zeitung" zur Gänze zu übernehmen. Das sei aber eine verfrühte Spekulation, so Hombach, denn er habe von einem Angebot der Familie Dichand nichts gehört. Gespräche darüber würde er "gar nicht ausschließen", vor allem dann, wenn das zu Preisen und Konditionen sei, die man der WAZ seinerzeit für deren Anteile angeboten hatte. Über einen Verkauf ihrer "Krone"-Anteile denke man jetzt jedenfalls nicht mehr nach, so Hombach.

"Schließe Übernahmegespräche nicht aus"

WAZ-Konzernchef Bodo Hombach im Mittagsjournalgespräch mit

Gegenteilige Signale

Ob und wie sich die Eigentums-Verhältnisse bei der "Kronen Zeitung" ändern, kann derzeit aber niemand sagen. Ausgeschlossen sind solche Änderungen nicht, auch wenn die ersten Signale aus dem Umfeld der Familie lauten: es bleibt alles beim Alten.

Durchgriffsrecht bendet

Hans Dichand hatte gut mit der WAZ verhandelt und war auch als 50-Prozent-Eigentümer der Kronenzeitung noch Herr im Haus. Als alleiniger Geschäftsführer mit allen Kompetenzen, Personalhoheit und dem Recht auf einen ansehnlichen monatlichen Vorabgewinn. Dieser steht seiner Witwe auch weiterhin zu, aber mit dem Durchgriffsrecht in allen geschäftlichen Belangen ist es jetzt vorbei. Da ist die WAZ jetzt erstmals gleichberechtigt. Für den Chefredakteur behält die Familie Dichand aber das Vorschlagsrecht.

Mittagsjournal, 18.06.2010

"Heute" statt "Krone"?

Hans Dichand hat zuletzt versucht, seinen "Krone"-Anteil in eine Stiftung einzubringen, um das Vermögen der Familie zusammenzuhalten. Doch ein Vorkaufsrecht der WAZ hat das vereitelt. Die Frage ist, ob die Erben das gleiche Ziel verfolgen. Der frühere "Krone"-Geschäftsführer und Dichand-Vertraute Hans Mahr sagt dazu: Ja, die Anteile werden in Familienbesitz bleiben. Es gibt freilich auch Spekulationen, wonach die Dichands ihren "Krone"-Anteil zu Geld machen und sich auf die - vor allem beim jungen Publikum - erfolgreiche Gratiszeitung "Heute" konzentrieren.

Enge Verflechtungen

Interessenten für den Hälfte-Anteil der Dichands gäbe es. Das ist einmal die WAZ als direkter Partner der Dichands in der "Kronen Zeitung". Und da ist auch die Raiffeisen-Gruppe, die indirekt mit den Dichands verbunden ist - über die Mediaprint, die gemeinsame Druck- und Vertriebsgesellschaft von Kronenzeitung und Kurier. Raiffeisen hält 50,5 Prozent der Kurier-Anteile, die restlichen 49,5 Prozent des "Kurier" hält die WAZ. Die Familie Dichand, die WAZ und Raiffeisen sind also eng miteinander verflochten. Und die Beteiligten waren nicht immer glücklich damit. Jetzt wäre die Zeit gekommen, um das aufzubrechen. Der Sprecher der Raiffeisen-Gruppe lässt zwar ausrichten, dass Generalanwalt Christian Konrad nicht daran denke, zu diesem Thema etwas zu sagen.

Liberalere Blattlinie?

Ändern dürfte sich jedenfalls der journalistische Kurs der "Kronen Zeitung". Der Wiener Publizistik-Professor Fritz Hausjell könnte sich vorstellen, dass die "Kronen Zeitung" nach dem Tod von Herausgeber Hans Dichand einen neuen, liberaleren Kurs einschlägt.

"Krone könnte nun liberaler werden"

Publizistik-Professor Fritz Hausjell im Mittagsjournal-Gespräch mit

Gemäßigter Boulevard

Die "Kronen Zeitung" sei nur deshalb so mächtig gewesen, weil die Politik sie dazu gemacht habe, sagt Hausjell im Ö1 Mittagsjounral. Nun komme eine neue Generation von Journalisten zum Zug, die eine andere Vorstellung von gemäßigtem Boulevard-Journalismus hätten. Das zeige sich schon jetzt in der Berichterstattung über den Fall Zogaj, wo es erstmals Kritik an der Innenministerin gebe.

Andere Werte

In Zukunft werde es auch stärker ums Kaufmännische gehen, sagt Hausjell, vor allem deshalb, weil der WAZ-Konzern nicht aussteigen will und an einer florierenden Zeitung interessiert sei. Zudem vertrete die WAZ als ehemals der Sozialdemokratie nahestehender Konzern andere Werte, etwa in EU- und Minderheitenfragen. In diesen Punkten sei die Blattlinie schon bisher umstritten gewesen.

"Er hat es überzogen"

Auch der Stil werde sich ändern, erwartet der Publizistik-Wissenschaftler: weniger und moderatere Kampagnen, als sie Hans Dichand geführt habe. Hausjell vermutet, dass Dichand gegen Ende seines Lebens es noch einmal wissen wollte, wie weit er gehen kann und wie viel Macht er wirklich ausüben. "Und ich glaube, er hat es überzogen."

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