"Krone"-Herausgeber wurde 89

Hans Dichand gestorben

Der Herausgeber der "Kronen Zeitung", Hans Dichand, ist am Donnerstag im 90 Lebensjahr gestorben. Der Herausgeber war vor einer Woche aus der Redaktion ins Spital gebracht worden. Hans Dichand hat mit der "Kronen Zeitung" nicht nur ein hochprofitables Blatt geschaffen, sondern auch einen Machtfaktor, dem sich praktisch kein österreichischer Politiker entziehen konnte.

Inforadio, 17.06.2010

Geballte Reichweiten-Macht

Jeder zweite Österreicher liest die von ihm 1959 gegründete und gemeinsam mit Kurt Falk in lichte Reichweitenhöhen geführte "Kronen Zeitung", das ist geballte Reichweiten-Macht. Kein politischer Verantwortungsträger kann daran vorbei, wenn er mit einem Projekt an die Öffentlichkeit geht. Und allein das macht die "Kronen Zeitung" mächtig, auch wenn Hans Dichand oft augenzwinkernd betont hat, er streichle lieber seinen Hund als Macht auszuüben.

Kaffee und Guglhupf in der Hofburg

Das Bonmot wurde von der Praxis widerlegt. Wenn der "Krone"-Chef rief, fanden sich die Spitzen der Republik ein - Dichand empfing in der Bar eines Wiener Ringstraßenhotels. Und der frühere Bundespräsident Thomas Klestil kredenzte dem Zeitungszaren in der Hofburg Kaffee und Guglhupf, um sich bei Dichand für sein Wohlwollen zu bedanken. Das ist in Bild und Ton dokumentiert. Erst Wolfgang Schüssel hat es gewagt, gegen die "Kronen Zeitung" zu regieren - und Dichands Zorn verfolgte ihn fortan.

Offene Gegnerschaft zu Schüssel und Haider

Das war im Jahr 2000, da hat Hans Dichand begonnen, offener "nicht" Macht auszuüben als früher. Der "Krone"-Chef war damals schon 80. Und Beobachter meinen, Dichand habe es einfach noch einmal wissen wollen. Also: offene Gegnerschaft zu Schüssel und Haider, dessen Aufstieg die Krone zuvor maßgeblich unterstützt hatte. Karl-Heinz Grasser wurde neues Liebkind. Und der EU-Schreck Hans Peter Martin war geradezu Dichands Geschöpf: Mit Hilfe der "Krone"-Berichterstattung landete Martins Liste bei zwei EU-Wahlen auf dem sensationellen dritten Platz, unter den "Krone"-Lesern kam Martin gar auf 30 Prozent. Werner Faymann wurde von der Krone zum Kanzler gepusht, nachdem er per Brief an Hans Dichand den EU-Kurs der SPÖ geändert hatte. Außenministerin Ursula Plassnik (ÖVP) lehnte diesen Kurs ab, sie ging im Match mit der "Krone" mit wehenden Fahnen unter.

Prölls an die Spitze

Dann der letzte Schwenk des Hans Dichand, den er nicht mehr unter dem Pseudonym CATO in der Krone, sondern in ihrer Fernsehbeilage in einer speziellen Kolumne bekanntgab: Beide Prölls an die Spitze, war Dichands belächelte Forderung, Josef Pröll sollte Kanzler, der Onkel Erwin Pröll Bundespräsident werden. Das war Dichands Traum. Aber vielleicht hat er ja auch nur ein bisschen zu weit in die Zukunft geschaut.

Die Volksseele spricht

Denn das Gespür für Entwicklungen und Geschichten konnte dem "Krone"-Chef niemand absprechen. Kampagnen - gegen Hainburg, gegen Atomkraft, gegen Gentechnik, gegen Brüssel, aber auch für die Wahl von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten, um nur die größeren zu nennen - sind aus der Krone nicht wegzudenken. Und in der Wortwahl waren Dichands Schreiber wie etwa der berüchtigte Richard Nimmerrichter alias Staberl nie zimperlich - wenn es gegen angeblichen Gesinnungsterror von links ging oder gegen Ausländer, rassistische Untertöne inbegriffen. Die "Kronen Zeitung" - eine Volkszeitung in dem Sinn, dass aus ihr stets die Volksseele spricht. Aus Leserbriefseiten heraus und auch zwischen den Zeilen hervor. Alles das Werk Hans Dichands.

Änderungen in der Geschäftsführung

Und wer wird nach ihm den Kurs der "Kronen Zeitung" bestimmen? Faktum ist, dass der deutsche Medienkonzern WAZ mit Standort in Essen jetzt erstmals auch alle Rechte als Hälfteeigentümerin hat. Die Geschäftsführung wird paritätisch besetzt, den Posten des Hauptgeschäftsführers mit allen personellen Vollmachten gibt es mit dem Ableben Hans Dichands nicht mehr. Das Vorschlagsrecht für den Chefredakteur - das war schon bisher formal Sohn Christoph - hat die Familie Dichand.

Es bleibt in der Familie?

Und immer wieder fällt in diesem Zusammenhang der Name Eva Dichand, die Schwiegertochter des Verstorbenen. Sie führt erfolgreich die Wiener Gratis- und U-Bahnzeitung "Heute", und nicht nur ihr Ehemann Christoph würde ihr eine künftige Schlüsselrolle in der "Krone" zutrauen. Angeblich wären die anderen Dichand-Kinder damit aber nicht so glücklich. Durchaus möglich also, dass jemand von außen geholt wird, um die Krone zukunftsfit zu machen. Doch gerade das würde wieder sehr stark für Eva Dichand sprechen: die "Heute"-Leser sind zur Hälfte unter 30, und das ist eine wichtige Zielgruppe, bei der die "Kronen Zeitung" mit ihrer überalterten Leserschaft dringend punkten müsste.

Abendjournal, 17.06.2010

Anteilnahme von allen Seiten

Bundespräsident Heinz Fischer würdigt Hans Dichand als eine Persönlichkeit, die mehr als ein halbes Jahrhundert lang auf dem Mediensektor mit großem Einfluss tätig war und die Medienlandschaft entscheidend mitgeprägt habe.

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zeigt sich "tief erschüttert" vom Tod des "Kronen Zeitung"-Herausgebers. "Hans Dichand war eine der großen Persönlichkeiten dieses Landes, ein begnadeter Blattmacher und Journalist, der im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte geschrieben hat", erklärt Faymann.

Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) würdigt Dichands "journalistisches Gespür" und seine "herausragende Qualität als Blattmacher".

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache bezeichnet Dichand als großartigen Medienmacher und Menschen, der das Land geprägt habe.

Auch die Grünen würdigen Dichand als "äußerst erfolgreichen Zeitungsmacher". Dieser habe sich aber nicht (wie er selbst behauptete, Anm.) mit dem "Vorhof der Macht" begnügt, erklärte Grünen-Chefin Eva Glawischnig.

Für BZÖ-Obmann Josef Bucher war Hans Dichand auch ein aufrechter Österreicher, der stets das Ohr an der Bevölkerung hatte.

Dichand habe Medienlandschaft und Politik maßgeblich geprägt, sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar - "auch wenn gerade die politische Linie der Kronen Zeitung und damit auch das Lebenswerk ihres Herausgebers immer wieder für Diskussionen gesorgt haben."

Abendjournal, 17.06.2010

Betroffenheit bei Partnern und Konkurrenz

Hans Dichand habe nicht nur das Antlitz der Kronen Zeitung geprägt, sondern auch jenes der österreichischen Medien und der politischen Landschaft, sagt Horst Pirker, Präsident des Verbands Österreichischer Zeitungen.

Für ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz war Dichand ein Vollblutjournalist mit Sendungsbewusstsein.

Bedauern äußert auch Bodo Hombach von der deutschen WAZ Mediengruppe, der 50 Prozent der "Krone" gehören. "Er war nicht immer ein bequemer Partner. Aber er kämpfte mit Geduld um seine Sache, und wir verneigen uns mit Respekt vor der Lebensleistung des Verstorbenen." Die WAZ-Gruppe wird ihren Hälfteanteil der Kronen Zeitung weiter behalten, sagt Hombach.

Raiffeisen-Generalanwalt und Mediaprint-Partner Christian Konrad betont, Dichand habe mit der Kronen Zeitung die weltweit einzigartige Geschichte einer Tageszeitung geschrieben.

"Österreich"-Herausgeber Wolfgang Fellner würdigt Dichand als den bedeutendsten Zeitungsmacher der 2.Republik: Mit ihm verliere Österreich auch ein wichtiges Korrektiv zur Linie der politischen Mehrheit.