Film über Escort-Agenturen

Job frisst Seele auf!

Die Untersuchung von konkreten gesellschaftlichen Milieus steht immer wieder im Mittelpunkt in den Filmen der österreichische Regisseurin Sabine Derflinger, etwa das Tiroler Gastgewerbe in "Vollgas" (2001). In "Tag und Nacht", ihrem neuen Werk, hat sich Derflinger der Prostitution zugewandt, genauer dem Geschäft der sogenannten Escort-Agenturen.

Kultur Aktuell, 05.10.2010

Die Leichtigkeit, mit der Lea (Anna Rot) von Anfang an und Hanna (Magdalena Kronschläger) nach einigem Zögern an ihren Job als Prostituierte herangehen, ist trügerisch. "Schnelles Geld", so heißt nicht nur ein Dokumentarfilm der österreichischen Regisseurin Sabine Derflinger aus dem Jahr 2004, sondern genau das erhoffen sich die beiden Studentinnen von ihren Kunden, wobei in die professionellen Rollenspiele nicht nur sexuelle Dienste einfließen.

"Was mich interessiert hat, waren vor allem Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen, die sich letztendlich auch in der Gesellschaft widerspiegeln", so Regisseurin Sabine Derflinger.

Männliche Klischeefiguren

Derflinger entwirft ein Szenario, das auf wahren Gegebenheiten basiert, und hat dafür auch ausführlich im Milieu der Escort-Services recherchiert. Doch in der Geballtheit, in der die männlichen Kunden mit ihren sexuellen Extravaganzen hier auftreten - vom Straps-Anhänger mit poetischer Ader über den Fahrstuhlsexfan bis hin zum Verbalerotiker -, werden sie zu klischeehaften Figuren, auch wenn diese Charaktere der Wirklichkeit entnommen sind, wie Sabine Derflinger erzählt: "Diese Männerfiguren beruhen auf den Erzählungen von Studentinnen, die in Escort-Services gearbeitet haben."

Auswirkungen auf Gefühlswelten

Langsam aber sicher frisst die Prostitution die Seele der beiden Frauen auf. Es ist eben nicht nur ein Job. Denn die Intimität der Sex-Arbeit hat Auswirkungen auf die eigenen Gefühlswelten, auf Identitäten und auf die Fähigkeit, privat intime Beziehungen zu gestalten.

Der vorerst ahnungslose Studienkollege, der sich für Hanna interessiert, nimmt deren Nebenjob schließlich mit einer Mischung aus Enttäuschung, spielerischer Neugierde und emotionaler Erpressung hin. "Ich bin ja überhaupt nicht moralisch an diesen Film herangegangen", meint Derflinger, "weil die Moral ist das langweiligste Thema an dieser Geschichte. es ging mir mehr um einen 'normalen', also entmystifizierenden Blick".

Täter und Opfer

Dieser "normale" Blick in "Tag und Nacht" inkludiert eine notwendige Freizügigkeit in der konkreten Darstellung von Sex-Arbeit und offenbart auch die Banalitäten im Alltag, etwa wenn man von einem Moment auf den anderen die geblümten Hausschuhe mit den schwarzen Lederstiefeln tauscht.

Der Film produziert zwar auch geschlechtsspezifische Täter- und Opferbilder, arbeitet aber letztlich konsequent an einer Zuspitzung: Vom Kontrollverlust gezeichnet, sind Hanna und Lea vor allem Opfer ihrer eigenen Selbstüberschätzung.