Jubel nach der Premiere

"Cardillac" an der Wiener Staatsoper

Am Sonntagabend ging mit Paul Hindemiths Oper "Cardillac" die ersten szenische Premiere unter der neuen Direktion Dominique Meyer/Franz Welser Möst über die Bühne der Wiener Staatsoper. Der Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst selbst dirigierte die Neuproduktion, die Sven Eric Bechtolf inszeniert hatte.

Kultur aktuell, 18.10.2010

Er war ein Triumph für Hindemiths gar nicht so oft gespieltes Werk, für Juliane Banse und vor allem Herbert Lippert, die beide sehr lange Zeit nicht im Haus am Ring zu hören gewesen waren, für Franz Welser-Möst, das Leading Team und einfach für die Wiener Staatsoper selbst. Dabei war "Cardillac", das bombastische, aber relativ kleinbesetzte Werk, eine Notlösung gewesen, das hatte die neue Direktion offen zugegeben, da sich der Termin mit der Tournee-Tätigkeit der Wiener Philharmoniker überschnitten hat. Allerdings sind Notlösungen dieser Art auch in Zukunft herzlich willkommen.

Die Bühne als Scherenschnitt

Paul Hindemiths Oper basiert auf E. T. A. Hoffmanns Novelle "Das Fräulein von Scuderie", der ersten Kriminalnovelle in der deutschen Literaturgeschichte mit einem Künstler zwischen Genie und Wahnsinn im Mittelpunkt des Geschehens. Am Ende wird der Kunstschmied Cardillac als Verursacher der rätselhaften Mordserie im Paris des 17. Jahrhunderts entlarvt, der sich als Besessener seiner Kreationen nicht von ihnen trennen kann und sie mordend zurückholt.

Regisseur Sven Eric Bechtolf setzt auf die Ästhetik der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Schwarz gekleidete, weiß geschminkte Gestalten tummeln sich auf der Bühne, die wie ein Scherenschnitt angelegt ist - mit schwarzen Häuschen. Allein Cardillacs Werkstätte durchbricht in gleißendem Gold diese Optik. Die Charaktere sind gleichnishaft, symbolisch angelegt. Die Bewegungsabläufe erinnern an Stummfilmsequenzen und gipfeln in einer dramaturgisch angelegten Zeitlupenoptik. Cardillac selbst erinnert am Schluss ein bisschen an König Midas, in dem er selbst vergoldet versteinert.

Hervorragende Sänger und Sängerinnen

Am Pult des Wiener Staatsopernorchesters steht Franz Welser-Möst, der sich übrigens für die erste Version Hindemiths entschieden hat, die seltener gespielt, aber wesentlich stürmischer und bombastischer ist als die herkömmlich zweite Fassung, und ein Blick ins Orchester genügt um zu sehen, dass die Orchestermitglieder enthusiastisch bei der Sache sind.

Zu hören sind Juha Uusitalo in der Titelpartie - szenisch sehr intensiv, stimmlich eher ramponiert -, Ildiko Raimondi brilliert szenisch wie stimmlich als Dame, Tomasz Konieczny (der Ring-Alberich) als Goldhändler. Besonders gefeiert und das zu Recht wurden die beiden Heimkehrer des Abends: Juliane Banse und Herbert Lippert als Tochter und Offizier. Zum Schluss war der Jubel groß und für die Damen gab es erstmals auf offener Bühne auch Blumen von der Direktion.

Service

Paul Hindemith, "Cardillac", 17. bis 30. Oktober 2010, Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper