Investitionen in alternative Bauprojekte

Chinas grüne Ambitionen

China lässt mit seinem aktuellen Fünfjahresplan aufhorchen, der mit ambitioniert grünen Richtlinien überrascht. Sind das nur ökologische Lippenbekenntnisse, oder werden in China Umweltstandards in der Architektur wirklich ernst genommen?

Kulturjournal, 25.10.2010

Hastiges Bauen in Shanghai

Bei Nacht funkelt Shanghai in allen Farben. Die Autobahnschleifen drehen sich bunt beleuchtet in der Finsternis, in mehrfachen Kurven übereinander gelegt und elegant ineinander verschraubt, denn China liebt alles, was leuchtet und blinkt.

Fährt man am Tag dieselbe Strecke, ist das etwas ernüchternd: Die Schäbigkeit vieler Gebäude wird sichtbar, oft blättert die Farbe schon nach kurzer Zeit ab und manche Hochhäuser werden bereits nach zehn Jahren wieder abgerissen, wenn sie ihre Schuldigkeit den Investoren gegenüber erfüllt haben.

Bisher keine Zeit für Sorgfalt

Wo - wie im Stadtteil Pudong - vor 30 Jahren nur Reisfelder waren und sich jetzt die Hochhäuser aneinanderdrängen, hat man beim hastigen Bauen keine Zeit für Sorgfalt gehabt. Weil in China alles schnell geht - nicht nur das Errichten der nüchternen Wohnsilos -, soll jetzt auch das Erreichen der neuen Umweltziele rasch über die Bühne gehen.

Deutsche Forscher haben in Shanghai das German Technology Center errichtet. Hier können die Chinesen die neuesten technischen Entwicklungen aus dem Westen kennen lernen.
"Die Scheiben kann man hier, ähnlich wie man das von Brillengläsern her kennt, an den Grad der Dunkelheit anpassen", erklärt Florian Gäbel im Rahmen einer Führung. "Damit kann man, wie bei einer Sonnenbrille auch, den Sonnenschutz erhöhen. Je dunkler das Glas, desto weniger Sonnenstrahlen kommen rein. Die logische Rechnung ist: Je weniger Wärmestrahlen reinkommen, umso weniger muss man später kühlen."

Energieversorgung ist Herausforderung

Die Energieversorgung ist in China eine echte Herausforderung: Die Gebäude sind so gut wie nicht isoliert, verbrauchen im subtropischen Sommer Unmengen an Energie für die Kühlung und in den kalten Wintern ebenso viel für die Heizung. Das ist der Preis für den Fortschritt der Chinesen, denn bisher waren üblicherweise weder Schulen noch Werkstätten irgendwie gekühlt oder beheizt.

Um beim Energieverbrauch 1.000 Megatonnen Kohle bis 2012 einzusparen, holt man sich gerne Knowhow aus dem Westen. Vor allem die EXPO in Shanghai zeigt unter dem Titel "Better City, Better Life" viele innovative Technologien. So können die Besucher etwa durch ein Passivhaus aus Hamburg laufen und ein Haus aus Madrid bewundern, dessen Dach durch eine Wasserfläche gekühlt ist.

Pilotprojekte der TU Wien

Robert Wimmer vom Institut angepasste Technologie an der TU Wien benützt die Expo, um über die Vorteile der Strohballenbauweise gegenüber der Ziegelbauweise zu informieren: "Es gibt ganz konkrete Kooperationen, es gibt unterzeichnete 'Memorandum of understanding' mit Regionen in Sichuan und dort ist beabsichtigt, Pilotprojekte zu errichten."

Bei den neuen Bauprojekten - es ist übrigens kaum etwas anderes zu sehen als Baumaschinen und Kräne von Liebherr & Palfinger aus Tirol - ist man schon sehr auf den ökologischen Aspekt bedacht. So etwa in Hongkong, wo ein mitten im Zentrum - durch die Verlegung des Flughafens nach außen - ein großes Stadtentwicklungsgebiet frei wurde. 30 Prozent dieses Areals werden nicht bebaut, sondern begrünt, erklärt Anthony LO Kam-yan, der dieses kostbare Land mit einer Schiffsanlegestelle und einigen Wohnbauten erschließen soll.

Grüngürtel rund um Hongkong

Auch der neue Kulturdistrikt, samt Museum und Konzerthalle, der hier geplant ist, soll Energieeffizient gebaut werden. Der hohe Grünanteil ist gerade in Hongkong nichts Neues. Die Regierung hat sich seit den 1960er Jahren darum bemüht, einen dichten Grüngürtel um die Stadt zu erhalten, in der acht Millionen Menschen in dicht gedrängten Hochhäusern leben. In dem Wald rundherum kann man dafür stundenlang wandern, ohne einer Menschenseele zu begegnen.

So gesehen wurden schon seit Jahrzehnten mit dieser megadichten Verbauung ökologische Ziele erreicht, indem durch die dichte Verbauung Verkehrswege aber auch alle anderen Erschließungen kurz gehalten werden, erklärt Marc-Aurel Schnabel, der eine Professur an der chinese University of Hongkong inne hat.

Europas Aufholbedarf

Stefan Beck von dem österreichischen Architekturbüro Baumschlager/Eberle, das jetzt schon etliche Projekte in China gebaut hat, meint zum Thema nachhaltig Bauen in China: "Ich bin da sehr positiv eingestellt. Das Land hat da eine so große Dynamik, dass sie sehr früh an diese Dinge denken. Man muss es in Verhältnis mit dem Entwicklungsstand setzen. Dass sie das jetzt schon, wo sie noch im Aufbau sind, berücksichtigen, da können wir davon lernen. Wir müssen uns eigentlich anschauen, wie sie das bewältigen. Da sind wir in Europa eigentlich rückständiger."

Außenpolitische Hintergedanken

Christian Bössemann vom German Technology Center schätzt die Situation so ein: "Die Zentralregierung setzt auch wirklich viele daran, weil sie ja auch absehen können, dass sie immer mehr Energie benötigen und sich damit außenpolitisch immer mehr betätigen müssen. Das bringt ja nur Probleme mit sich. Deshalb ist es von der Zentralregierung ein ehrgeiziges Ziel und sie arbeiten hart daran. Beamte von den verschiedenen Provinzen werden nicht nur nach der ökonomischen Entwicklung ihres Zuständigkeitsbereichs bewertet, sondern auch nach den ökologischen Maßnahmen. Das ist schon ehrgeizig und visionär."

Das heißt mit dem neuen, sehr ambitionierten Fünfjahresplan ist China besser als sein Ruf und wird vermutlich viele der Ziele rasch umsetzen. Auch wenn es in diesem System Fehler gibt und Prüfer, die die Einhaltung der Bestimmungen überwachen sollen, von den Bauherren selbst engagiert werden, ist in der riesigen Volksrepublik einiges in Bewegung geraten. Betrachtet man die Autobahnen, die wie Balkone mit Blumenkistchen verziert sind, weiß man: Den Chinesen ist grün wirklich ein Anliegen.