Sechsköpfige Familie auf der Straße

Delogierung wegen behinderten Kindes

Weil eine sechsköpfige Wiener Familie ein autistisches Kind nicht in ein Behindertenheim geben will, steht ihr jetzt die Delogierung bevor. Betagte Nachbarinnen in dem Gemeindebau hatten sich vor allem über den Lärm durch den autistischen Jugendlichen beschwert.

Morgenjournal, 04.11.2010

Gericht: Zuviel Lärm

In 11 Tagen dürfte die Familie Salman auf der Straße stehen. Im Gerichtsurteil heißt es unter anderem: "Der autistische Sohn habe mehr Lärm gemacht als gesunde Kinder, deshalb sei der Kündigungsgrund verwirklicht." Die Anwältin der Familie will sich nun an den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden und die Generalsekretärin der Autistenhilfe Ruth Renee Kurz sagt: das Urteil widerspreche der Bundesverfassung, der Kinderrechts- und der Behindertenkonvention.

Nachbarn haben geklagt

Aber der Oberste Gerichtshof hat einen Einspruch schon abgelehnt. Vor 4 Jahren war die österreichische Familie Salman mit türkischen Wurzeln in eine Gemeindebau-Reihenhaussiedlung in Wien-Donaustadt gezogen. Die wurde ursprünglich gebaut für Familien mit Kindern. Heute wohnen dort großteils Pensionisten. Bald haben sich vor allem zwei älteren Nachbarinnen beschwert, die Wand an Wand wohnen mit dem kleinen Reihenhaus der sechsköpfigen Familie - über Schreianfälle und Hämmern gegen Wände und Türen. Und einmal habe der autistische 16-Jährige sie attackiert, sagt eine Nachbarin. Gegenüber wohnende Nachbarn hingegen meinen, man höre nichts.

Außerdem habe sich die Situation doch längst verbessert durch Medikamente und Therapie, beteuert die Familie. Der Bruder sei unter tags in einer Werkstätte und gehe auch früh schlafen, sagt seine 9-jährige Schwester. Er sei nicht laut.

Kinder verzweifelt

Als der autistischen Bursch kurze Zeit in einem Heim war, ist es ihm schlechter gegangen, die Familie hat sich entschieden, ihn wieder nach Hause zu holen. Die 14-jährige Schwester, eine Gymnasiastin ist verzweifelt, das entspreche nicht den Menschenrechten, wenn man rausgeworfen werde und die Eltern womöglich in eine Obdachloseneinrichtung. Das habe jemand vom Jugendamt in den Raum gestellt.

Keine Hilfe der Stadt

Die Suche nach einer günstigen Wohnung war bisher erfolglos, der Vater arbeitet als Hilfsarbeiter am Bau. Von der Stadt Wien wird keine besser gelegene oder besser gedämmte Wohnung zur Verfügung gestellt. Das würde das Problem vermutlich nur verlagern, heißt es aus dem Büro von Wohn-Stadtrat Michael Ludwig. Man habe vor Jahren versucht die Situation zu verbessern und verlasse sich nun auf die Gerichte. Übrigens: Der vom Jugendamt vorgeschlagene Heimplatz in Oberösterreich für den autistischen Burschen würde die Stadt laut Autistenhilfe monatlich bis zu 8.000 Euro kosten.

Ludwig: Keine Ersatzwohnung

Die Stadt Wien bleibt auch nach nochmaliger Anfrage gegenüber der Familie hart. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) bestätigte im Ö1 Mittagsjournal, dass die Familie ihre Gemeindewohnung verlassen muss und keinen Ersatz bekommt.

Mittagsjournal, 04.11.2010

Stadtrat Ludwig zur Delogierung

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