Unterzeichnet und nicht umgesetzt

UNO-Behindertenkonvention: Österreich säumig

Vor fast zwei Jahren hat Österreich die UNO-Behindertenrechts-Konvention unterzeichnet. Doch seither habe die Politik so gut wie nichts zu ihrer Umsetzung getan, kritisiert der Monitoring-Ausschuss, der die Einhaltung dieser Konvention überwachen soll.

Die UNO-Konvention sieht vor, dass Menschen mit Behinderungen möglichst selbstbestimmt und nicht mehr in Großheimen leben sollen - auch um sie vor Gewalt, sexuellem Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen. Doch das gelinge in Österreich nicht, sagen die Mitglieder des Monitoring-Ausschusses, der diese Woche getagt hat.

Mittagsjournal, 30.10.2010

UNO-Konvention bisher nicht umgesetzt, Bernt Koschuh

Vielfach Opfer von Gewalt

Menschen mit Behinderungen können sich schwer wehren, oft schwer ausdrücken und gerade in Österreich würden sie vielfach noch als Objekte wahrgenommen, sagen Mitglieder des Monitoring-Ausschusses. Daher seien sie öfter als jede andere Bevölkerungsgruppe Opfer von Gewalt, sexuellem Missbrauch und Vernachlässigung. Bei der öffentlichen Ausschuss-Sitzung diese Woche haben auch Betroffene über schmerzliche Erfahrungen berichtet: von Jugendlichen ausgespottet und geschlagen, von Betreuern misshandelt, sagt der Sonderschulabsolvent Franz Hoffmann, heute Vorsitzender eines Vereins für Menschen mit Behinderungen.

Chancenlos im Alltag und vor Gericht

Anzeigen werden oft nicht erstattet, weil Vorfälle vertuscht würden, wegen Sprachschwierigkeiten oder einfach weil es bei Polizeiinspektionen zu viele Stufen gibt, sagt eine Rollstuhlfahrerin: Sie hätte die Anzeige bei der Polizei mithilfe ihres Peinigers machen können, der ihr über die Stufen helfen hätte können.

Kommt es zur Anzeige, dann haben vor allem Vergewaltigungsopfer mit Behinderung vor Gericht wenig Chancen, kritisiert Lebenshilfe-Vorstand Heinz Trompisch, der Grund sei, dass man Frauen weniger Glauben schenke. Es gebe nur ganz wenige Verurteilungen der Täter..

Keine Großheime mehr

Auf Basis der UNO-Behindertenkonvention fordert der Monitoring-Ausschuss vor allem die Auflösung aller Großheime. Christina Meierschitz vom Behinderten-Dachverband ÖAR sagt, Heime seien von ihrer Struktur her eine Brutstätte für Gewalt - etwa weil die Heimordnung mit fixen Ess- und Schlafenszeiten eingehalten werden muss. Das könne sogar dazu führen, dass Heimbewohner fixiert würden, um den Heimablauf einzuhalten.

Menschen mit Behinderung, so die Forderung, sollen stattdessen möglichst selbst bestimmen können, wo sie wohnen und möglichst mobil betreut werden, insgesamt sei das nicht teurer als Großheime.

Dringend nötig sei außerdem eine unabhängige Behörde, die Behinderteneinrichtungen kontrolliert - regelmäßig, unangemeldet und unter Mitarbeit von Menschen mit Behinderung.

Expertin: Regierung ignoriert UNO-Konvention

All das könnte zwar auf Widerstand bei den großen staatlich finanzierten Heimträgern stoßen. Aber Mehrkosten würden dem Staat nicht entstehen, sagt die Vorsitzende des Behindertenrechtskonvention-Monitoringausschusses Marianne Schulze. Die Menschenrechtsexpertin Schulze meint im Ö1-Interview, es gebe in zwar Österreich einzelne vorbildliche Projekte, von der Bundesregierung werde die UNO-Behindertenrechtskonvention aber geradezu ignoriert.

Mittagsjournal, 30.10.2010

Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze im Gespräch mit Bernt Koschuh

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