Lebenshilfe fordert Schule für alle
Sonderschule abschaffen
Kinder mit Behinderungen werden vom derzeitigen Bildungssystem oftmals ausgegrenzt, kritisiert der Verein "Lebenshilfe Österreich" - und zwar durch das Prinzip der Sonderschule. Die "Lebenshilfe" stellt nun ein Modell vor, wie die Sonderschule abgeschafft und eine neue Schule für alle eingerichtet werden könnte.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 02.09.2010
Gemeinsame Bildung für alle Kinder
Gemeinsame Bildung, keine Trennung zwischen Kindern mit besonderen Bedürfnissen und jenen ohne - das sei ein Menschenrecht, betont die Interessensvertretung „Lebenshilfe Österreich"; und der unabhängige Monitoringausschuss, der die Einhaltung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen überwacht, hat im Sommer festgehalten, dass das Prinzip der Sonderschulen menschenrechtswidrig sei. Die Begründung: Menschen mit Behinderungen würden von der allgemeinen Bildung ausgeschlossen, das sei eine Diskriminierung einzig aufgrund des Merkmals einer Beeinträchtigung und das verletzte die UN-Konvention. Denn: Getrennte Bildung lege den Grundstein für ein getrenntes Leben.
Stufenplan zur Reform des Schulsystems
Die „Lebenshilfe Österreich" schlägt nun einen Stufenplan vor, wie binnen sechs Jahren das Schulsystem reformiert werden könnte, um alle Kinder gemeinsam zu unterrichten - nach dem Prinzip der Binnendifferenzierung, schildert Generalsekretär Bernhard Schmid: Damit sei ein gemeinsamer Unterricht in den Fächern aber mit unterschiedlichen Lehrplänen für die einzelnen Kinder gemeint.
AssistentInnen für Lehrkräfte
Bis dahin sieht das Stufenmodell aber noch Schritte vor - wie beispielsweise dass Schul-Assistentinnen/ Assistenten ausgebildet werden und als Ergänzung der Lehrkräfte eingesetzt werden oder dass die Ausbildung für Sonderpädagogik und für Regelpädagogik zusammengelegt werde. So sollten auch Spezialfächer für bestimmte Beeinträchtigungen angeboten werden wie zum Beispiel Autismus und Down-Syndrom. Vor allem sollten Methoden vermittelt werden, wie man mit bestimmten Kindern kommunizieren kann, so Schmid.
Ressourcen derzeit aufgeteilt
Diese sukzessive Umstellung des Schulsystems würde seiner Einschätzung zufolge nicht mehr kosten, als die bisherige Praxis, so Lebenshilfe-Generalsekretär Bernhard Schmid. Die Ressourcen wären vorhanden, aber auf zwei verschiedene Syteme aufgeteilt. Nämlich auf das Sonderschul- und die Integrationsklassen im Regelschulwesen.
52 Prozent in regulären Klassen integriert
Derzeit haben laut Statistik in Österreich 27.700 Kinder sogenannten sonderpädagogischen Förderbedarf; bundesweit betrachtet sind 52 Prozent von ihnen in regulären Schulklassen integriert, 48 Prozent aber nicht - sie werden getrennt unterrichtet, schildert Germain Weber, Präsident der Lebenshilfe Österreich und Dekan der Fakultät für Psychologie der Universität Wien: "Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg sind auf den letzten Plätzen zu finden. Die Vorreiter sind Öberösterreich, Steiermark und Burgenland."
Integration in Gesellschaft
Letztlich, so hofft die Interessensvertretung, würden durch eine neue, "inklusive" Schule für alle mehr Menschen mit Behinderung Chance auf eine Berufsbildung und auch auf eine Hochschulbildung haben. Ganz zu schweigen von mehr sozialen Kontakten und einer selbstverständlicheren Integration in die Gesellschaft.