Percussions-Star kontra Musikuni Wien

Grubingers offener Brief

Der Salzburger Musiker Martin Grubinger ist ein Weltstar auf dem Schlagzeug mit hauptsächlich klassischer Ausrichtung. Im Frühsommer hat er sich für eine Schlagwerkprofessur an der Wiener Musikuniversität beworben und das Vorspiel für diese Stelle findet Anfang kommender Woche statt. Grubinger wurde nicht eingeladen. Das erstaunt ihn so sehr, dass er gestern mit einem offenen Brief an die Leitung der Musikuniversität reagiert hat.

Kulturjournal, 17.12.2010

Martin Grubinger spielt an die 80 Schlaginstrumente, von Trommeln und Pauken bis zur Marimba, die er besonders virtuos beherrscht. Das Fachwort für jemanden wie ihn heißt "Multipercussionist".

Der 27 jährige tritt mit den weltbesten Orchestern bei den führenden Festivals von Salzburg bis Luzern auf. Und er hat einen Plattenvertrag bei der Deutschen Grammophon. Immer wieder arbeitet er mit außereuropäischen Musikern, etwa mit Trommlern aus Afrika, zusammen.

Bewerbung wurde nicht berücksichtigt

Eine Schlagzeugprofessur an der Wiener Musikuniversität wird ausgeschrieben. Ein österreichischer Weltstar auf diesem Instrumentarium bewirbt sich - und seine Bewerbung wird offenbar schon vor dem Hearing mangels Eignung ausgeschieden. Denn sonst müsste er laut Universitätsgesetz zum Hearing, sprich Vorspiel, eingeladen werden. Wurde er aber nicht. In seinem offenen Brief an die Leitung der Musikuniversität zeigt sich Grubinger verwundert, dass - wörtlich - "scheinbar seine (...) Qualifikation für ein Vorspiel (...) nicht ausreicht". Grubinger im Interview heute Vormittag: "Man könnte jetzt den Eindruck haben, da ist jetzt jemand beleidigt, und will Rechnungen begleichen. Dem ist überhaupt nicht so. Dem kann ich mit ruhigem Gewissen entgegentreten".

Ausschreibung "wie vor 30 Jahren"?

Zu dem Schritt an die Öffentlichkeit entschloss sich Grubinger erst, als er von ausländischen Kollegen auf die Wiener Ausschreibung angesprochen wurde. Grubinger nennt diese Ausschreibung Image-schädigend für den an sich guten Ruf der Musikausbildung in Österreich. Für das Vorspiel werden als Pflichtprogramm zwei Etüden für Pauke und kleine Trommel verlangt, sowie ein Stück freier Wahl. Das entspreche dem Stand von vor 30 Jahren und nicht dem heutigen Niveau bei solchen Bewerbungen.

"Üblich ist - und man hat das in Österreich, in Linz zum Beispiel oder in Salzburg - üblich ist, dass die Teilnehmer ein einstündiges Konzertprogramm vorbereiten, sodass jeder Teilnehmer wirklich das bieten kann, was er imstande ist zu leisten. Und wissen Sie, wenn man alle spielen lässt, und dann nach musikalisch qualitativen Kriterien sagt, Sie passen nicht in unser Profil, wir hätten gern jemand anderen, dann ist das überhaupt kein Problem. Aber von vornherein sozusagen nur einen ganz kleinen Teil des Schlagwerks abzubilden und zu dann sagen, alles andere wollen wir nicht, dass ist total Image-schädigend und peinlich und leider auch sehr provinziell".

Grubinger: "Peinlich und provinziell"

Die rasante Entwicklung des Schlagzeugs als Soloinstrument in den letzten Jahrzehnten sei nicht berücksichtigt. Das Programm des Vorspiels decke nur ein schmales Spektrum ab - und sei viel zu leicht.

"Was hier in diesem Hearing stattfindet, das ist zum Beispiel mit einer Ausschreibung einer Musikschullehrer-Stelle in Oberösterreich nicht zu vergleichen. Wenn man in Oberösterreich eine Musikschullehrer-Stelle haben will, dann muss man im Vorspiel viel anspruchsvollere Literatur spielen. Mein Vater ist Musikschullehrer in Mondsee. Was hier in der Ausschreibung ist, das könnten selbst seine Musikschüler spielen. - Die ausländischen Studenten wollen eben an Institutionen kommen, wo man wirklich das Schlagwerk des 21. Jahrhunderts auch studieren und erleben kann. Und das ist mit dieser Ausschreibung überhaupt nicht möglich".

Keine Stellungnahme der Musikuni

Der Rektor der Wiener Musikuniversität nimmt derzeit nicht Stellung zu Grubingers offenem Brief. Das sei nicht zulässig in einem laufenden Berufungsverfahren - die Amtsverschwiegenheit laut Universitätsgesetz verbiete jeden Kommentar.

Man muss sich also noch gedulden, wenn man die Hintergründe erfahren will. Mag sein, dass die Bewerbung des 27-jährigen Starsolisten nicht berücksichtigt wurde, weil sie gewissen Ausschreibungskriterien nicht entspricht, wie zum Beispiel "Führungsqualitäten im organisatorischen Bereich". Aber das kann derzeit nur Spekulation sein.

Eine Tatsache ist die Optik. Eine Wiener Schlagzeugprofessur wird ausgeschrieben - und ein österreichischer Schlagzeuger mit klingendem Namen, der die begabtesten Studenten aus aller Welt anziehen könnte, wird nicht an den Start gelassen.