Nach Teilaufhebung des BAWAG-Urteils

SPÖ auf Distanz zu Bandion

Justizministerin Claudia Bandion-Ortner denkt nach der Aufhebung von großen Teilen ihres BAWAG-Urteils durch den Obersten Gerichtshof weiterhin nicht an Konsequenzen. ÖVP-Chef Josef Pröll hatte Bandion, noch bevor das Urteil ausgefertigt war, als Justizministerin in die Bundesregierung geholt. Jetzt geht auch der Koalitionspartner SPÖ vorsichtig auf Distanz zur Ministerin.

Morgenjournal, 24.12.2010

Grüne: "Schlussstrich ziehen"

Donnerstagabend in der Ö1-Journal-Panorama-Diskussion: Der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser bekräftigt stellvertretend für seine Kollegen von FPÖ und BZÖ, die nicht kommen konnten, dass das Fass voll sei und Bandion-Ortner endgültig rücktrittsreif: "Das ist der Endpunkt einer langen Chaos- und Pannenserie, jetzt sollte man einen Schlussstrich ziehen. Die Zeit der Justizministerin ist abgelaufen", so Steinhauser.

"Andere Rechtsauffassung"

Die Ministerin selbst wollte nicht kommen, für sie springt ÖVP-Justizsprecher Herbert Donnerbauer in die Bresche - mit der Sprachregelung, die später im Fernsehen auch Bandion-Ortner immer und immer wieder verwendet: "Hier ist eben eine andere Rechtsauffassung vertreten worden. Und der OGH ist dazu da, das letzte Wort zu sprechen, und das hat er getan." - Eine andere Rechtsauffassung, nichts Außergewöhnliches. Obwohl renommierte Strafrechtler das auch anders sehen.

"Bandion soll selbst überlegen"

Auch SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim rückt ab. Er verweist darauf, dass das BAWAG-Urteil Bandion erst auf den Ministersessel gehoben habe: "Also wird sie sich letztlich auch mit dem Thema auseinanderzusetzen haben." Eine konkrete Aufforderung an Bandion will Jarolim aber nicht aussprechen: "Es hat ein Entwicklung gegeben, die nicht die glücklichste ist. Und ich denke, dass sich die Justizministerin jetzt selbst überlegen wird, wie es weitergeht. Und diese Zeit muss man ihr schon lassen."

Gesetzesänderung nach Tierschützerprozess?

Überdies gebe es auch genug an der Amtsführung Bandions zu bemängeln, so die Kritiker. Ein Beispiel sei der Prozess gegen Tierschützer auf Grundlage des sogenannten Mafia-Paragraphen. Da laufe vieles schief und Bandion hätte längst eingreifen müssen, so SPÖ-Mann Jarolim. Er will jetzt das Gesetz "nachrüsten", etwa dass es sich bei der Verfolgung rechtsstaatlich anerkannter Ziele wie den Tierschutz nicht um eine kriminelle Organisation handeln kann. Man sei da mit der ÖVP in "fruchtbringenden Gesprächen". ÖVP-Mann Donnerbauer hält dagegen, man werde sich ansehen, ob es Anpassungsbedarf gibt. Er sei aber nicht dazu bereit, "das auf den Tatbestand der Bereicherung einzuschränken".

"Vertuschung", "Amtsmissbrauch"

Und der Grüne Steinhauser kündigt Initiativen zugunsten der angeklagten Tierschützer an: "Wenn es eine verdeckte Ermittlerin gibt, die nichts feststellen kann und das wird von der Polizei vertuscht, weil das den ganzen Prozess zu Fall bringen würde, dann das ist ein Fall für die parlamentarische Kontrolle." Die Grünen würden genau aufarbeiten: "Warum wurde vertuscht, von wem wurde es vertuscht, steckt Amtsmissbrauch dahinter?"

"Diese Frage stellt sich nicht"

Die Justizministerin ficht das alles nicht an. Auf die Frage von Lou Lorenz in der ZIB2, ob Vizekanzler Pröll ihr klar gesagt habe, dass sie Justizministerin bleibe, sagt Bandion-Ortner: "Bitte, das steht überhaupt nicht zur Debatte." Man habe sich miteinander unterhalten, aber über andere Dinge. "Aber diese Frage stellt sich einfach nicht." Sie denke nicht an Rücktritt, so Claudia Bandion-Ortner, sie denke vielmehr, dass sie durchaus eine gute Justizministerin sei.

Morgenjournal, 24.12.2010

Was bedeutet das OGH-Urteil für die Betroffenen? Wie stehen die Chancen Elsners, frei zu kommen? Wird Wolfgang Flöttl doch noch erklären müssen, was mit dem BAWAG-Geldern passiert ist?

Elsner erst in 14 Monaten frei?

Frage Nummer eins ist natürlich, kann Helmut Elsner in absehbarer Zeit auf freien Fuß kommen. Der 75jährige saß bisher knapp vier Jahre in Untersuchungshaft und diese Haftzeit wird auf die nunmehr rechtskräftigen zehn Jahre Strafhaft angerechnet, sagt Christian Pilnacek, Strafrechtsexperte im Justizministerium: "Der frühestmögliche Zeitpunkt für eine bedingte Entlassung ist die Verbüßung der Hälfte der Strafzeit." Bis dahin müsste Elsner noch 14 Monate absitzen. Aber auch dann müssten erst ein Gericht entscheiden, ob eine Enthaftung Elsners zum frühesten Zeitpunkt aus Generalpräventiven Gründen zulässig wäre.

Chancen formal höher

Allerdings haben die Anwälte des Ex-BAWAG-Chefs schon angekündigt, wegen der Herzerkrankung Elsners einen Antrag auf Vollzugsuntauglichkeit zu stellen. Daher werde ein Sachverständiger prüfen, ob der Gesundheitszustand Elsners einen ordnungsgemäßen Vollzug der Strafe ermöglicht bzw. ob der Vollzug der Strafe mit einer Lebensgefährdung verbunden wäre, erläutert Pilnacek. Danach entscheidet ein Vollzugsrichter, ob Elsner haftuntauglich ist. 16 Mal wurden bisher Anträge Elsners aus Gesundheitsgründen aus der U-Haft zu kommen, vom Gericht abgeschmettert. Jetzt könnten seine Chancen formal höher sein, weil es die Bedingung der "Vollzugsuntauglichkeit" in der Untersuchungshaft nicht gegeben habe, in der Strafhaft nun aber schon.

Keine Entspannung für Flöttl

Frage Nummer zwei: Wie geht es mit Wolfgang Flöttl weiter. Sein Urteil wurde aufgehoben und muss noch einmal neu verhandelt werden. Kann er sich nun entspannt zurücklehnen? Eher nicht. Denn bei einer Neuauflage des BAWAG-Prozesses wird Flöttl wohl doch noch genauer erklären müssen, was er tatsächlich mit dem BAWAG-Geld gemacht hat, sagt Pilnacek.

Causa geht weiter

Bei allen BAWAG-Beschuldigten, deren Urteile gekippt wurden, müssen aber Staatsanwaltschaft und Gericht grundsätzlich erst einmal auf die schriftliche Ausfertigung des OGH-Urteils warten. Dann muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie die Anklagen modifiziert, ausdehnt, einschränkt oder überhaupt auf eine weitere Strafverfolgung verzichtet. Die Hoffnungen einzelner Beschuldigter völlig straffrei davon zu kommen, weil die Staatsanwaltschaft auf eine weitere Verfolgung verzichten könnte, teilt Pilnacek nicht: Wenn das die Meinung des Obersten Gerichtshofes gewesen wäre, dann hätte sie ja gleich auf Freispruch entscheiden können. Kurz gesagt: Die BAWAG-Karibik-Affäre wird wohl Staatsanwaltschaft und Gericht auch noch die nächsten Monate und vermutlich auch Jahre beschäftigen.