Ex-Zögling beschuldigt Ex-Priester

Vorwürfe gegen Martin Bormann

Jahrelang hat er in der Öffentlichkeit gegen den Schatten seines Vaters angekämpft. Jetzt ist er selbst mit schweren Missbrauchsvorwürfen konfrontiert: der ehemalige Priester Martin Bormann, ältester Sohn des gleichnamigen Reichsleiters und Sekretärs von Adolf Hitler.

Morgenjournal, 03.01.2011

Niemand glaubte ihm

Ein heute 63jähriger früherer Zögling von Bormann hat sich nun bei der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt gemeldet und beschuldigt ihn, Anfang der 60er Jahre von ihm sexuell missbraucht und misshandelt worden zu sein. Es sei im Kloster der Herz Jesu-Missionare in Salzburg Liefering passiert, sagt das Opfer, und es habe länger als ein Jahr gedauert. Der heute 63jährige ist schwerkrank und kann kein Interview geben. Seine Sachwalterin, die anonym bleiben möchte, sagt, er leide heute noch darunter, dass ihm damals niemand geglaubt hat - weder seine Mutter, noch seine Großmutter. "Er hat auch gesagt: Dabei hätten sie nur mit mir zum Arzt gehen müssen, weil ich so verwundet war. Ich konnte vier Wochen nicht ordentlich aufs Klo gehen."

"Todestrieb"

Dieser Missbrauch habe sein Leben verpfuscht, sagt die Sachwalterin. Als Jugendlicher galt er als schwer erziehbar, und auch später als Erwachsener habe er nichts in den Griff bekommen - weder Beruf noch Privatleben. "Mir ist schon am Anfang sein Todestrieb aufgefallen, dass er keine Selbstachtung auch kein Selbstbewusstsein hat", sagt die Sachwalterin. "Obwohl dieser Mann wunderbare Begabungen hat - malen, schnitzen. Er kann so kultiviert sein, aber durch seine Störung jederzeit umkippen und total verrückt sein."

Geständnis oder Entschuldigung

Nie habe er eine Therapie gemacht, zu sehr hat er sich laut Sachwalterin geschämt. Außerdem habe er lange gedacht, Martin Bormann sei tot - im Kongo, wo er als Missionar gearbeitet hat, ums Leben gekommen. Jetzt möchte er zumindest ein Geständnis. "Der Täter sollte sein Gewissen erleichtern", sagt die Sachwalterin. "Nachdem das ja ein gläubiger Mann ist, müsste das ihn eigentlich drücken. - Für das Opfer ist das schon eine große Genugtuung, wenn er weiß dass der Täter seine Strafe hat, indem alle es wissen wenigstens. Aber vielleicht entschuldigt sich der Täter auch, und das wäre ganz wichtig."

Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Für Martin Bormann gilt die Unschuldsvermutung, er ist 80 Jahre alt und lebt in Deutschland. Er war für eine Stellungnahme nicht erreichbar, dem Vernehmen kann er sich an die fragliche Zeit in Salzburg nicht erinnern. Die Sachwalterin will dennoch Genugtuung. "Ich möchte Gerechtigkeit haben und auch eine Wiedergutmachung. Auch wenn man dieses verpfuschte Leben mit ein paar Euro nicht wieder gut machen kann. Aber trotzdem möchte ich, dass er sich noch irgendwas leisten kann - jetzt ist er in Sozialhilfe - einen Urlaub etwa. Er braucht ja eine Begleitperson."

Bei den Herz-Jesu-Missionaren in Salzburg heißt es, man habe keinen Kontakt mehr zu Martin Bormann. Er sei vor 40 Jahren aus dem Orden ausgetreten, um zu heiraten. Man wisse nur, dass er schwer krank sei.

Opfer brauchen Aufklärung

Wenn Missbrauchsvorwürfe strafrechtlich verjährt sind, wollen Betroffene oft nur ein Eingeständnis des Täters oder eine Entschuldigung - manche auch eine finanzielle Entschädigung. Für Opfer ist das auch noch nach Jahrzehnten wichtig, sagen Experten.

Mittagsjournal, 03.01.2011

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