OGH will neues Gesetz

Schadensfall Behinderung

Ein behindertes Kind ist kein Schaden, darüber sind sich Juristen und Politiker einig. Gescheitert dürfte aber ein Gesetzesentwurf von Justizministerin Bandion-Ortner sein, der Schadenersatzansprüche nach Versäumnissen von Frauenärzten bei der Pränataldiagnostik einschränken sollte. Der Oberste Gerichtshof fordert nach wie vor ein neues Gesetz.

Mittagsjournal, 13.01.2011

An Grenzen gestoßen

Mit umstrittenen Entscheidungen hat der oberste Gerichtshof die Debatte ausgelöst - über Abtreibungen und Schadenersatzansprüche von Eltern behinderter Kinder. Und OGH-Vizepräsident Ronald Rohrer sagt nun selbst, die Rechtsprechung sei in dieser Frage an ihre Grenzen gestoßen und es wäre gut, eine gesetzliche Regelung zu finden, die allen Beteiligten gerecht werde.

Einerseits gehe es um ethische Fragen, die der Gesetzgeber klären müsse und nicht die Gerichte, so Rohrer. Andererseits gebe es Regelungsbedarf bei den Entschädigungshöhen. Es soll monatliche Schadenersatzzahlungen von Frauenärzten an Eltern behinderter Kinder in der Höhe von mehr als 3.000 Euro geben, wobei denen, so Rohrer natürlich auch hohe Kosten der Eltern für die Betreuung der Kinder gegenüberstünden.

Starke Fehlleistungen von Ärzten

Zwei zumindest indirekt geäußerte Vorwürfe weist der OGH-Vizepräsident zurück, nämlich, dass der oberste Gerichtshof behinderte Kinder als Schaden interpretiert hätte und dass die betroffenen Frauenärzte es nur verabsäumt hätten, werdenden Müttern Zusatzuntersuchungen zu empfehlen: "Alle Entscheidungen haben relativ starke Fehlleistungen der jeweiligen Ärzte beinhaltet", so Rohrer.

Ein Fall hatte allerdings für besonders viel Aufsehen gesorgt. Der eines Salzburger Arztes, der einer werdenden Mutter eine Zusatzuntersuchung nicht nachdrücklich genug empfohlen hatte. Doch diese Entscheidung, dass er nach der Geburt eines behinderten Kindes Schadenersatz zahlen muss und wie viel, die habe letztlich nicht der oberste Gerichtshof getroffen, sagt Rohrer.

Kinderbetreuung einklagen?

Eine zweiter umstrittener Fall: Ein Vater hatte trotz Sterilisation ein weiteres Kind gezeugt, bekam vom OGH aber keinen Schadenersatz zugesprochen, weil das Kind nicht behindert ist. Rohrer könnte sich nun vorstellen, dass ein Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2001 wieder diskutiert wird, wonach überdurchschnittliche Belastung durch Kindesbetreuung abgegolten werden sollte und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine nicht erkannte Behinderung handle oder um die nicht gewollten Geburt eines gesunden Kindes.

Untersuchungen für Betuchte

Für eine gesetzliche Regelung spricht sich auch der Präsident des Gynäkologenverbandes Michael Elnekheli aus. Er sagt gegenüber Ö1, die Angst vor Haftungsansprüchen habe in Wien dazu geführt, dass nur mehr drei oder vier Spitäler die früher überall üblichen speziellen Organscreenning Ultraschalluntersuchung bei werdenden Müttern durchführen.

Hauptsächlich würden diese Untersuchungen nun um 200 bis 300 Euro in spezialisierten privaten Instituten durchgeführt. Somit seien die Untersuchungen zu einem Minderheitenprogramm für Betuchte geworden und in Wahrheit habe sich die Pränataldiagnostik durch OGH-Urteile und fehlende gesetzliche Regelungen nicht verbessert, sondern verschlechtert.